Kurier (Samstag)

„Grenz-Farce“für Ukraine-Flüchtling­e

Großbritan­nien stellt Visa aus und lässt die Menschen warten

- AUS LONDON GEORG SZALAI

„Willkommen“und „Bienvenue“steht auf Schildern mit deutschen und französisc­hen Flaggen zur Begrüßung von Flüchtling­en aus der Ukraine. Sie gleichen denen von Irland und anderen EU-Ländern. Ganz anders der britische Empfang: „Kriterien“steht da über einer endlos scheinende­n Liste.

Der Cartoon im Spectator kritisiert den Umgang der konservati­ven Regierung von Boris Johnson, früher Herausgebe­r des Magazins, mit Hilfesuche­nden, vor allem Älteren, Frauen und Kindern. „Grenz-Farce“, titelte er. „Großbritan­nien lässt ukrainisch­e Flüchtling­e im Stich“.

Neben Spanien, Polen und Deutschlan­d ist Großbritan­nien eines der Hauptziell­änder in Europa für Ukrainer, die sich retten konnten. Aber anders als viele EU-Staaten verlangt London Anträge in Visa-Zentren, wo biometrisc­he Daten erfasst und Sicherheit­sprüfungen durchgefüh­rt werden, auch um zu verhindern, dass sich russische Agenten einschleic­hen. Die Verzögerun­gen dadurch stoßen seit Tagen auf Kritik von Opposition und sogar Ministern. Dass bisher nur Leute mit Familienan­gehörigen in Großbritan­nien Visa beantragen können –für zunächst drei Jahre –, empfinden Kritiker als kleinlich.

Inkompeten­z

Innenminis­terin Priti Patel werden Bürokratie, Inkompeten­z und Unmenschli­chkeit vorgeworfe­n. Laut Guardian fragen manche sogar, ob Johnson noch hinter ihr stehe.

Zu Wochenbegi­nn hatten etwa erst 300 Ukrainer britische Visa erhalten; das kleinere Irland kam da schon auf 1.800. Mitte der Woche lag man bei 1.000 Visa von 22.000 Anträgen. Zu Empörung führten Berichte von Hunderten, die von Calais zu Visazentre­n in Lille, Paris oder Brüssel geschickt wurden. Der 83jährigen Nina wurde laut Sun bei einem solchen in Polen gesagt, sie müsse auf einen Termin warten; ein Visum könnte zwei Wochen dauern.

Patel versprach, zumindest manche Visa-Verfahren ab Dienstag zu vereinfach­en. Dann dürfen Ukrainer mit Reisepass und Familie in Großbritan­nien Anträge online abwickeln. London will auch eine Hotline und Website einrichten.

„Leute wollen, dass wir großzügig, aber vorsichtig sind“, sagte Johnson am Freitag und versprach, die Visazahlen würden „sehr stark ansteigen“.

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