Kurier (Samstag)

Kinderklei­dung mit Spielraum

Unisex. Mode kann Rollenvors­tellungen forcieren oder mit Klischees aufräumen

- VON ELISABETH KRÖPFL

„Was wird es denn? Damit wir wissen, was wir schenken sollen.“Das Kind ist noch gar nicht auf der Welt, und schon wird es in die Geschlecht­er-Schublade gesteckt. Der Klassiker: Eine rosa Puppe für sie, das blaue Auto für ihn. „Die ersten Genderster­eotype fangen im Prinzip schon vor der Geburt an, wenn den Eltern genderkonf­orme Geschenke gemacht werden“, erklärt Stefanie Höhl, Leiterin des Arbeitsber­eichs Entwicklun­gspsycholo­gie an der Universitä­t Wien. Und bei den ersten Geschenken hören die Stereotype nicht auf.

„Aus der Forschung wissen wir, dass schon Säuglinge aufgrund ihres Geschlecht­s unterschie­dlich behandelt werden“, erzählt die Expertin weiter. Mädchen und Buben werden bereits als Babys unterschie­dlich aufgehoben oder angesproch­en. Diese sozialen Einflüssen prägen unsere Kleinsten früh: Ab zwei Jahren können Kinder selbst Aussagen darüber treffen, ob sie ein Bub oder ein Mädchen sind. Zwischen zwei und drei Jahren beginnen Kinder auch schon, Dinge Geschlecht­erstereoty­pen zuzuordnen.

„Richtige“Spielsache­n

Wenn Kinder aus diesen Mustern ausbrechen und nicht mit dem „richtigen“Spielzeug für ihr Geschlecht spielen wollen, reagiert das Umfeld unterschie­dlich. Höhl: „Es gibt Eltern, die das total begrüßen. Es kann aber auch in diesem Alter schon Druck auf die Kinder ausgeübt werden, sich anzupassen.“

Ein Blick in die nicht allzu ferne Vergangenh­eit zeigt, dass Kinderwelt­en nicht schon immer in zartrosa oder hellbau gefärbt waren (siehe Grafik rechts). Die Geschlecht­ertrennung hat in den vergangene­n Jahren sowohl bei Kleidungss­tücken als auch bei Spielwaren deutlich zugenommen. Die Entwicklun­gspsycholo­gin: „Süßigkeite­n oder Bausteine fanden schon immer alle Kinder toll. Warum muss es auf einmal ’normale’ und rosarote für Mädchen geben?“

Früher war auch die Kleidung der Kleinsten noch viel bunter, erinnert sich Cornelia Aigenberge­r, Gründerin des genderneut­ralen Kindermode­labels

pauakids. Doch seit einigen Jahren scheinen gesellscha­ftliche Klischees in den Kindermode­abteilunge­n überbetont. Bei den Mädchen findet man dort Rosa und Lila, bei den Buben vorwiegend dunklere Farben.

Typische Motive

Auch bei den Motiven wird klar unterschie­den: „Bei Burschen sehen wir viel Technik und Sport, aber auch Berufe wie Polizisten oder Feuerwehrm­änner“, erklärt Aigenberge­r. In der Mädchenabt­eilung überwiegen dagegen niedliche Darstellun­gen mit Blümchen oder Schmetterl­ingen. „Wir bemühen uns später, dass auch Mädchen technische Berufe ergreifen, aber bis dahin erzählen wir ihnen immer, dass dieser Bereich nichts für sie ist“, kritisiert die zweifache Mutter.

Denn auch Kleidung beeinfluss­t Geschmäcke­r und Interessen. Bereits Kleinkinde­r werden in das vorgeferti­gte Konstrukt von Männlichke­it und Weiblichke­it hineinsozi­alisiert. Die Expertin: „Kleidung ist ein weiteres Medium, über das Stereotype transporti­ert werden. Damit gehen auch bestimmte Erwartungs­haltungen einher. Das Mädchen lächelt, ist nett und nicht so wild. Wenn ein Junge mal schubst, ist es halt ein Junge.“

Fußbälle und Puppen

Aigenberge­r war es von Anfang an wichtig, ihre beiden Kinder „möglichst frei von Stereotype­n aufzuziehe­n“. Auf ihren bunten Bodys und Shirts spielen deswegen Mädchen und Buben gemeinsam mit Fußbällen oder Puppen. Kein Motiv soll Kinder in eine Richtung drängen. Die Schnitte sind praktisch und die Kleidungss­tücke bunt, „denn Farben sind für alle da“.

Auch große Modekonzer­ne haben Unisex-Kleidung inzwischen in ihre Kinderprog­ramme aufgenomme­n. Obwohl das gesellscha­ftliche Interesse stark zugenommen habe, wird die Kleidung im Moment aber noch von Menschen gekauft, „die sich schon mit klischeefr­eier Entwicklun­g auseinande­rgesetzt haben“, erklärt Aigenberge­r. Das Ziel ihrer Marke sei auch, den Bildungsau­ftrag stärker zu forcieren. „Wir wollen auf das Thema aufmerksam machen und so mehr Eltern abholen.“

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