Kurier (Samstag)

Kürze und räum auf und komm zur Sache

Joan Didion (1934–2021) hat kurz vor ihrem Tod das Buch zusammenge­stellt

- P.PISA

Was ich meine. „Ich bin nicht im Geringsten eine Intellektu­elle“, hat die Amerikaner­in Joan Didion gesagt. Sie könne mit dem Abstrakten nichts anfangen. Sie brauche etwas Greifbares, um darüber schreiben zu können. Einen Birnbaum. Oder Nancy Reagan, Ehefrau des späteren US-Präsidente­n, als sich ihr kleiner Sohn lieber vor ihr in seinem Zimmer versteckte und Nancy in Gegenwart Joan Didions trotzdem stolz verkündete:

„Ich halte nichts davon, eine Mutter zu sein, die nicht für ihre Kinder da ist.“

Oder ein Treffen der Weltkriegs­veteranen. Unheilvoll­e Ölraffiner­ien. Die Hippies in Kalifornie­n. Den Tod ihres Ehemanns. Den Tod ihrer Tochter. Und sie brauchte Amerika.

Darüber konnte sie nachdenken ... „Ich schreibe, um herauszufi­nden, was ich sehe und was das bedeutet.“Viele journalist­ische Texte von ihr waren zuerst in Magazinen wie Vogue und The New Yorker zu lesen. Immer spürte man, jedes Wort hatte für sie Bedeutung, jede Satzstellu­ng musste so und nicht anders sein: „Dort lagen ein Apfel und zwei Orangen“liest sich nicht so gut wie „Dort lagen zwei Orangen und ein Apfel“.

Senf

Joan Didion lernte in den 1950ern: „Kürze, räum auf, komm zur Sache.“Hemingway war ein Vorbild. So konnte sie für Menschen, die vom und fürs Schreiben leben, die Meisterin sein.

Wie Schriftste­ller aus Nichts viel machen können! „Was ich meine“ist eine Sammlung von Essays bzw. Kurzreport­agen, die Joan Didion im Jahr vor ihrem Tod 2021 selbst zusammenge­stellt hat.

Es sind frühe Arbeiten ab 1968, die ihren Weg zeigen. Ein Schlüssel, damit man erste Schritte in der Welt ihrer minimalist­ischen Literatur machen kann.

Antje Rávik Strubel (Deutscher Buchpreis 2021 für „Blaue Frau“) arbeitet zurzeit an Neuüberset­zungen von zwei Romanen Didions. Das Vorwort zu „Was ich meine“stammt von ihr. Strubel weist darauf hin, dass Didion im deutschen Sprachraum wenig bekannt ist : Die einen schreiben ihren Vornamen wie den von Joanne K. Rowling, andere sprechen ihren Namen französisc­h aus, „sodass Didion klingt wie eine berühmte französisc­he Senfsorte.“

Ist aber immerhin eine sehr gute Senfsorte.

 ?? ?? Joan Didion: „Was ich meine“Übersetzt und mit einem Vorwort von Antje Rávik Strubel. Ullstein Verlag. 176 Seiten. 19,95 Euro
KURIER-Wertung: āāāāά
Joan Didion: „Was ich meine“Übersetzt und mit einem Vorwort von Antje Rávik Strubel. Ullstein Verlag. 176 Seiten. 19,95 Euro KURIER-Wertung: āāāāά

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