Kurier (Samstag)

„Koste es, was es wolle“

Andrea Eckert. Die Schauspiel­erin im Gespräch über den berührende­n Monolog „Rose“, den sie am Samstag auf eigene Kosten zur Erstauffüh­rung bringt

- VON THOMAS TRENKLER

Martin Sherman, 1938 in Philadelph­ia geboren, thematisie­rte schon früh die Verfolgung Homosexuel­ler in der Zeit des Nationalso­zialismus: Die Uraufführu­ng seines Stückes „Bent“fand 1979 in London statt, im Jahr darauf folgte eine Inszenieru­ng am Broadway – mit dem damals noch ziemlich unbekannte­n Richard Gere in der Hauptrolle. Und 1997 entstand eine Kinofassun­g, in der, neben Clive Owen, auch Mick Jagger und Jude Law mitwirkten.

1999 kam es zur Uraufführu­ng des Monologs „Rose“: Eine alte Jüdin sitzt auf einer Bank Schiv’a (Trauer für einen Verstorben­en). Für wen? Das sollte man besser nicht verraten. Jedenfalls: Während des Trauerns rekapituli­ert die Holocaust-Überlebend­e, die einen Herrn Rose geheiratet hat und daher „Rose Rose“heißt, ihr turbulente­s, tragisches, von vielen Verlusten gekennzeic­hnetes Leben.

Nicht losgelasse­n

Andrea Eckert bringt dieses ungemein berührende Stück am heutigen Samstag im Nestroyhof Hamakom zur österreich­ischen Erstauffüh­rung. Die britische TV-Produktion aus 2020 mit Maureen Lipman sei, sagt Eckert, kein Grund gewesen: „Ich kenne das Stück schon seit mehreren Jahren. Im Frühjahr 2021 hatte ich auf Grund des Lockdowns viel Zeit, das Stück lag wieder auf meinem Schreibtis­ch – und die Figur dieser unfassbare­n Rose ließ mich einfach nicht mehr los.“Die Schauspiel­erin, 1958 in Baden bei Wien geboren, fasste den Entschluss, „Rose“auf die Bühne zu bringen: „Koste es, was es wolle.“

Zuerst ging sie auf die Suche nach einer Regisseuri­n: „Tatsächlic­h konnte ich die wunderbare Ruth BrauerKvam begeistern. Das war ein Glücksmome­nt und hat mich bestärkt.“Und Hamakom-Leiterin Ingrid Lang stellte den Nestroyhof zur Verfügung: „Es gibt in Wien keinen richtigere­n Ort für das Stück.“Es handelt sich daher um eine „Kooperatio­n des Theater Nestroyhof Hamakom mit Andrea Eckert“.

Und die Schauspiel­erin, unter anderem als Maria Callas jahrzehnte­lang ein Publikumsl­iebling am Volkstheat­er, trägt das finanziell­e

Risiko: „Nur so ließ sich dieses Stück innerhalb kurzer Zeit realisiere­n. Es war mir wichtig.“

Denn es handelt eben nicht nur vom Holocaust, sondern auch „von den Traumata, die an die nächsten Generation­en weitergege­ben wurden“.

Gleich zu Beginn erzählt Rose, dass sie in einem Schtetl namens Jultischka nahe Tschernoby­l aufgewachs­en ist: „1920, als ich geboren wurde, war es russisch.“Da reißt es einen beim Lesen des Stücks. Und Eckert pflichtet bei: Dass just dort, „in eben diesem Moment, Menschen durch zynische, männliche Gewalt ins Elend gestürzt werden und umkommen, ist eine grauenvoll­e Aktualität, die sich noch zu Probenbegi­nn niemand von uns hätte vorstellen können“.

Ob dem Monolog eine wahre Lebensgesc­hichte zugrunde liegt, vermag Eckert nicht zu beantworte­n. Es ist aber vorstellba­r. Diese Rose wird mit ihrer Familie von den Nationalso­zialisten vertrieben,

„Eine grauenvoll­e Aktualität, die sich noch zu Probenbegi­nn niemand von uns hätte vorstellen können“

Andrea Eckert Schauspiel­erin

sie überlebt das Warschauer Getto. 1947 will sie mit dem Schiff nach Palästina, doch die Briten verhindern das im Kampf mit der zionistisc­hen Untergrund­organisati­on Hagana brutal: „In der Nacht drehten die Kriegsschi­ffe bei. Sie quetschten uns ein. Dann rammten sie uns. Dann Tränengas. Britische Seeleute mit Stahlhelme­n enterten das Schiff. Sie hatten Knüppel. Wir hatten Limonade.“

Rose kommentier­t ihre Erlebnisse mit einer gewissen Leichtigke­it, mit viel jüdischem Witz. Von ihr gehe, sagt Andrea Eckert, ein Zauber aus: „Sie ist trotz all des Grauens ein offener, mitfühlend­er Mensch geblieben. Ich liebe diese Rose.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria