Kurier (Samstag)

Die Blaumeise geht tanzen

Musik. Dominik Eulberg ist Biologe, erfolgreic­her Techno-Produzent und DJ. In seinen Tracks verwebt er Synthesize­r-Sounds mit Vogelgezwi­tscher. Mit „Avichrom“liegt sein sechstes Album vor. Tierisch gut

- VON MARCO WEISE

Dominik Eulberg ist ein Naturbursc­h, ein Vogelexper­te und studierter Naturschüt­zer. Dann ist er aber auch noch ein erfolgreic­her DJ und Produzent von elektronis­cher Musik.

Aber wie geht sich diese vermeintli­che Ambivalenz bitteschön aus? Wie passen Party und Techno auf der einen, Natur, einsame Waldspazie­rgänge begleitet von Vogelgezwi­tscher auf der anderen Seite zusammen?

„Natur ist wie Musik“, sagt der 43-Jährige im KURIER-Interview. „Ich habe mich schon in meiner Jugend sehr für den Naturschut­z engagiert. Gleichzeit­ig habe ich begonnen, elektronis­che Musik zu machen. Es war also ein ganz natürliche­r und logischer Prozess, beide Leidenscha­ften zu kombiniere­n: Ich hatte Kassetten mit Vogelstimm­en, die ich aufgenomme­n hatte, und Kassetten mit Techno, und dann habe ich angefangen, sie zu mischen. Auf diese Weise brauchte ich keine teuren Synthesize­r für meine Produktion­en. Der Ziegenmelk­er, auch Nachtschwa­lbe genannt, zum Beispiel macht einen verrückten Sound wie ein Oszillator“, sagt Eulberg.

Gefieder

Schon seit Beginn seiner nunmehr 28-jährigen Karriere huldigt der aus dem deutschen Westerwald stammende Eulberg der Natur in seinen Werken. Flora und Fauna stehen also im Zentrum seiner Songs, denen er gerne lustige Namen gibt: „Die Invasion der Taschenkre­bse“, „Rabimmel, Rabammel, Rohrdommel“, „Löwenzahn-Luftwaffe“. Nur so als Beispiel.

Nun liefert Dominik Eulberg Nachschub. „Avichrom“heißt das sechste Album des Deutschen, das den Farben im Gefieder von Vögeln gewidmet ist. „Avichrom“sei ein Kunstwort aus dem lateinisch­en „avis“für Vogel und dem griechisch­en Wort

„chroma“für Farbe, erklärt Eulberg. Thematisch gehe es auf seinem neuen Werk um die Welt der Vögel und ihre überborden­de Farbenviel­falt. „Mutter Natur hat hier ihre komplette Farbpalett­e verwendet, sodass sich zu elf Farben namentlich eine heimische Vogelart finden lässt. Nach diesen Artnamen sind die Tracks des Albums benannt.“

Poppiger Vogel

Ein Song ist der Blaumeise gewidmet, einer anderer dem Grünfink. Was unterschei­det die beiden Vögel und wie hat sich das auf die Kompositio­n ausgewirkt? „Bei ,Blaumeise’ war mein Anliegen das apodiktisc­he, emsige Treiben der kecken Blaumeisen zu beschreibe­n. Eine Blaumeise füttert bis zu unglaublic­hen 1.000 Mal am Tag ihre Jungen. Kein Wunder, denn mit bis zu siebzehn Eiern pro Gelege sind sie Rekordhalt­er unter den heimischen Singvögeln. Zu den verschacht­elten Klängen, die sich unmetrisch in den Beat einweben, hat mich die Tatsache inspiriert, dass Blaumeisen in ihre Nester gerne Blüten von Lavendel, Schafgarbe oder Minze mit einbauen. Denn die darin enthaltene­n ätherische­n Öle wehren clevererwe­ise Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze ab. Obwohl Blaumeisen so klein sind, sind sie doch sehr mutig und selbstbewu­sst, wie ich es immer wieder bestens an der Futterstel­le vor meinem Studio beobachten darf. Diese Keckheit und Unerschütt­erlichkeit habe ich musikalisc­h abgebildet. Der Grünfink ist für mich auch ein ziemlich knalliger fast schon poppiger Vogel, der durch seine leuchtende Grünfärbun­g, schon von Weitem ins Auge springt. Auch der gleichnami­ge Track ist keinesfall­s schüchtern, sondern geht in bestes Grünfinken­manier bullig und einem hohen Maß an Unerschütt­erlichkeit direkt in die Offensive“, sagt Eulberg, dem man stundenlan­g bei seinen wissenscha­ftlich fundierten wie spannenden Ausführung­en über die Vogelwelt zuhören könnte.

Gelbspötte­r

Für jeden seiner elf neuen Tracks hat er sich vom Charakter und Habitus der jeweiligen Vogelart inspiriere­n lassen. Da er seit seiner Kindheit leidenscha­ftlich Vögel beobachtet, konnte er aus einem großen Pool an Erinnerung­en und Begegnunge­n schöpfen. Wie ein Maler, der ein Bild malt, habe er dann ein Musikstück daraus gemacht. „So hört man etwa die knallroten Augen des Schwarzhal­stauchers, das geschwätzi­ge Spotten des Gelbspötte­rs, die Bedrohung des Braunkehlc­hens oder die freche Silbermöwe, während sie

uns am Strand Pommes aus der Hand klaut“, sagt Eulberg. In „Rotmilan“hüllt einen der Künstler dann in wunderschö­ne Klangwolke­n, in einen warmen, analogen wie kuschelige­n Sound, der beruhigt und berührt, bevor es mit der verspielte­n Minimal-TechnoNumm­er „Purpurreih­er“direkt auf die Tanzfläche geht.

„Ich liebe es, von einem Element ins andere zu switchen. Etwa Leute mit derben Technosets wegballern und sie danach mit auf eine Fledermaus­wanderung nehmen.“

Mensch und Maschine, Natur und Techno, Waldspazie­rgang und Clubbesuch, das geht sich bei Eulberg alles wunderbar aus.

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