Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

- Vea Kaiser vea.kaiser@kurier.at

Geht mein Mann schlafen, stehe ich oft nochmals auf und kontrollie­re, ob er alle Lichter ausgemacht hat. Täte ich das nicht, schliefen wir bei Festtagsbe­leuchtung in überhitzte­n Räumen. Weswegen ich auch eine Nachtabsen­kung programmie­rt habe, aber das weiß er nicht. Er glaubt, dass er infolge von Müdigkeit friert, wenn er nachts auf die Toilette tapst. Auf welche ich ihm ebenfalls nachschlei­chen muss, weil „Stoßlüften“für ihn bedeutet, das Fenster aufzustoße­n. Ohne es anschließe­nd wieder zu schließen. Leider bin ich diesbezügl­ich Sklavin meiner selbst. Ich kann nicht anders – ich wurde im Energiespa­rmodus erzogen.

In meinem Elternhaus steckte kein Elektroger­ät in der Steckdose, sondern in Verteilerb­üchsen, deren rot leuchtende Schalter wir nach Gebrauch ausknipste­n, damit nicht das Standby-Modus-Monster heimlich Strom frisst. Was die Pubertät meines kleinen Bruders verkompliz­ierte, war, dass dadurch auch das Internet um zehn Uhr schlafen ging. Wir hatten schon überall Energiespa­rlampen, als diese noch eine Viertelstu­nde brauchten, um hell zu werden. Vollbäder gab es nur bei Sonnensche­in, denn das Wasser wärmte die Solaranlag­e.

Gewisse Elektroger­äte wurden erst gar nicht angeschaff­t, weil die waren, wie mein Vater laut intonierte: „ENERGIEFRE­SSER!!“Worauf wir Kinder antwortete­n: „BÖSE BÖSE BÖSE!“Wer im Energiespa­rmodus aufwächst, kann diesen nicht einfach so verlassen. Doch einen Energiefre­sser benutze ich oft: den Elektrohei­zstrahler über dem Wickeltisc­h. Neulich vergaß ich jedoch, ihn wieder abzuschalt­en, weil Bambino dringend abgebussel­t werden musste.

Mein Mann stellte mich verärgert zur Rede: „In Zeiten wie diesen sollte man wirklich nicht unnötig Energie verschwend­en.“

Ich wollte ihm entgegnen: Das weiß ich seit dreiunddre­ißig Jahren! Stattdesse­n antwortete ich automatisc­h: „BÖSE BÖSE BÖSE!“

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