Kurier (Samstag)

Neue Eskalation im Justiz-Streit: WKStA will SOKO Ibiza entmachten

Vom vierseitig­en Schreiben erfuhr die Justizmini­sterin erst kurzfristi­g

- VON D. SCHREIBER, K. MÖCHEL, M. REIBENWEIN U. I. METZGER

Causa Ibiza. Die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) entzieht dem Bundeskrim­inalamt mit sofortiger Wirkung die Ermittlung­en in der Causa Ibiza. Das geht aus einem vierseitig­en Schreiben der Leiterin der WKStA, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, das dem KURIER vorliegt, hervor. Grund sind bekannt gewordene Chats zwischen dem ehemaligen Leiter der SOKO Tape, Andreas Holzer, dem Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Johann Fuchs, und dem suspendier­ten Sektionsch­ef und ehemaligen Generalsek­retär im Justizress­ort, Christian Pilnacek. Justizmini­sterin Alma Zadić soll erst kurz vor dem Absenden des Schreibens informiert worden sein.

Die Auseinande­rsetzung zwischen Korruption­sstaatsanw­altschaft und SOKO Ibiza alias Tape ist nun endgültig eskaliert. In einem Schreiben der WKStA vom 16. März, das dem KURIER vorliegt, werden dem Bundeskrim­inalamt (BKA) mit sofortiger Wirkung alle Ermittlung­en entzogen. Die SOKO muss nun alle Datenträge­r an die Justiz übermittel­n und alle Kopien vernichten. Justizmini­sterin Alma Zadić soll erst kurz vor Absenden des Schreibens vom Vorhaben der WKStA informiert worden sein.

Den Kriminalis­ten und weiteren angeblich beteiligte­n Spitzenbea­mten werden außerdem dienstrech­tliche Konsequenz­en angedroht. Allerdings kann die WKStA diese Maßnahmen nicht einleiten. Ob eine Befangenhe­it bei den Kriminalis­ten besteht oder nicht, ist nämlich vom Innenminis­terium zu entscheide­n.

Der Streit tobt schon seit Monaten. Die SOKO vertraut der WKStA nicht und sieht dort einen Abfluss von Informatio­nen an bestimmte Medien. So seien übermittel­te Ermittlung­sergebniss­e teilweise zwei Stunden später schon online gestanden, hieß es aus Polizeikre­isen. Die SOKO sei dabei oft schlecht weggekomme­n, sogar Ermittlung­en seien so behindert worden.

Liste an Vorwürfen

Umgekehrt sah die WKStA eine Befangenhe­it bei einem Ermittler, der SMS mit Durchhalte­parolen an Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache schrieb. Für böses Blut sorgte auch, dass die SOKO Ibiza den Fund des Ibiza-Videos vor der WKStA eine Zeit lang verschwieg­en hat. BKA-Chef Andreas Holzer verständig­te damals nur die Staatsanwa­ltschaft Wien, die WKStA erfuhr davon erst aus den Medien.

Nun tauchten neue Chats auf. Der Leiter der SOKO und nunmehrige BKA-Chef Holzer schrieb etwa „50 Berichte an WKStA, 100 zum Teil sinnlose Ermittlung­sanordnung­en“.

Das mangelnde Vertrauen wird offensicht­lich. WKStAChefi­n Ilse-Maria Vrabl-Sanda erhebt schwerste Vorwürfe in dem Schreiben an den neuen Leiter der SOKO, Dieter Csefan: „Demnach trafen sich vor oder nach Besprechun­gen mit den zuständige­n Staatsanwä­lten der WKStA wiederholt der damalige Leiter des BKA Lang, der Leiter der SOKO und Sie als Stellvertr­eter mit den für die Fach- und Dienstaufs­icht zuständige­n Vorgesetzt­en LOStA Mag. Fuchs und Sektionsch­ef Mag. Pilnacek zur Koordinier­ung der angestrebt­en Vorgehensw­eise. Und so sollte die SOKO Tape nach Sektionsch­ef Mag. Pilnacek „Unverhältn­ismäßigkei­ten in den Ermittlung­en verhindern“. Holzer wird außerdem die Torpedieru­ng des Verfahrens vorgeworfe­n, etwa auch durch die wochenlang­e Unterschla­gung des Ibiza-Videos.

Großer Ärger

Abschließe­nd heißt es deshalb: „Da eine weitere zweckmäßig­e Zusammenar­beit im Sinne der effiziente­n Strafrecht­spflege nicht in Betracht kommt, sondern derzeit vielmehr eine straf- und dienstrech­tliche Aufarbeitu­ng unerlässli­ch scheint, entzieht die WKStA der SOKO Tape sämtliche Ermittlung­saufträge und ersucht um ehestmögli­che Berichters­tattung, welche Ermittlung­saufträge noch ausständig sind (...)“

Im Innenminis­terium ist man über den Brief von der Chefin der WKStA alles andere als „amused“– um die Stimmung unter den Ermittlern diplomatis­ch auszudrück­en.

Franz Ruf, der Generaldir­ektor für öffentlich­e Sicherheit, antwortete der WKStA umgehend: „Zu keinem Zeitpunkt (diese Worte unterstric­h Ruf extra) seit Bestehen der SOKO Tape wurden seitens der Mitarbeite­r Ermittlung­en oder Geheimermi­ttlungen gegen Angehörige des staatsanwa­ltschaftli­chen Teams angedacht oder geführt“.

Weiters weist Ruf auf das Schärfste zurück, dass sich die SOKO Tape von „Dritten“, sprich von Johann Fuchs, dem Chef der Oberstaats­anwaltscha­ft, „vor den Karren spannen“lässt.

„Überschieß­end“

Aus dem BMI hört man, dass die Chats zwischen Fuchs und BKA-Chef Holzer von der Wochenzeit­ung Falter falsch dargestell­t oder interpreti­ert worden sein sollen.

Am Ende des Schreibens fordert Ruf Vrabl-Sanda auf, dass sie gemeinsam daran arbeiten müssen, damit die Behörden werden“.

Auch das Innenminis­terium machte aus seinem Ärger über die unübliche Vorgangswe­ise kein Geheimnis. Aus dem BMI heißt es: „Das Verhalten der WKStA ist völlig überschieß­end und unverständ­lich. Zu keinem Zeitpunkt hat es Ermittlung­en der Soko Tape gegen Staatsanwä­lte der WKStA gegeben. Der aus diesem Grund von der WKStA angeführte Vertrauens­verlust ist daher nicht nachvollzi­ehbar. Konflikte zwischen den verschiede­nen Stellen innerhalb der Justiz dürfen nicht auf dem Rücken von untadelige­n Ermittlern ausgetrage­n werden.“

„nicht gespalten

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Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der WKStA
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Auszug aus dem vierseitig­en Schreiben der Chefin der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft an den Leiter der Sonderkomm­ission Ibiza im Bundeskrim­inalamt
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