Über Zitronenkuchen, mysteriöse chemische Reaktionen – und die Furcht vor der Fadenprobe
Back-Angst. Die größten Ängste erwachsen aus dem Unwissen. In der Geschichte der Menschheit gibt es viele Beispiele dafür. Und auch Ihr Kolumnist ist nicht davor gefeit.
Wer hier an Samstagen regelmäßig mitliest, weiß: Der Kolumnist kann nicht backen. Kuchen, Torten, Brotteige? All das wird ausgelagert – an die Freundin, die Tochter oder Menschen, die zu Recht gutes Geld für ihr professionelles Handwerk verlangen.
Weil letztens ein Geburtstag anstand, fand er sich dennoch mit dem Teigspatel in der Hand wieder. Und während er für den simplen Zitronenkuchen, den er sich vorgenommen hatte, einen Abtrieb aus 200 g Staubzucker, Vanillezucker ,4 Eiern und der geriebenen Schale einer Zitrone fertigte, offenbarte sich ihm der Quell seiner pathologischen BackAngst: Ihm fehlt – das gestand er sich ein, während er 200 g flüssige, lauwarme Butter
einmengte – schlichtweg das Verständnis für das, was sich in den Schüsseln so zuträgt: Warum soll die Butter heute flüssig sein, wo sie doch bei anderen Rezepten stets fest ist? Wie erkennt man mittels „Fadenprobe“die richtige Konsistenz von Schokoglasur? Und – die Fragen aller Fragen – wieso entsteht aus Eiern, Butter, Zucker und Schokolade immer wieder ein herrlicher Teig, obwohl das Sachertortenrezept keinerlei Mehl enthält?
Der Grund dürfte in höchst mysteriösen chemischen Reaktionen zu finden sein, mutmaßte er, während er für den Zitronenkuchen 250 g Mehl mit 1/2 EL Backpulver
versiebte und abwechselnd mit dem Saft einer Zitrone unter die Masse hob. Und an Chemie hat er, der Blick aufs Maturazeugnis zeigt es zweifelsfrei, kaum gute Erinnerungen.
Als er den Kuchen nach 45 Minuten bei 180 Grad im Rohr aus der Kastenform kippte, mit Marillenmarmelade füllte und mit Glasur (aus Staubzucker und Zitronensaft)
übergoss, stellte sich Zufriedenheit ein. Der Kolumnist beschloss, sich fortan auf das Mysterium Backen einzulassen. Als Nächstes plant er eine Cremetorte. Drücken Sie die Daumen!