Kurier (Samstag)

An das deutsche Feuilleton

- VON BARBARA BEER barbara.beer@kurier.at

Es kann durchaus sein, dass Wiener in Kaffeehäus­er gehen, die auch in Reiseführe­rn vorkommen. Aber niemals würden Reisejourn­alisten des deutschen Feuilleton­s solche aufsuchen. Die wollen nämlich immer etwas „entdecken“. Etwas möglichst Schäbiges, mit zugigen Fenstern, fleckigen Tischtüche­rn und penetrante­m Küchengeru­ch. Wo es egal ist, dass nicht mehr geraucht werden darf, weil der kalte Rauch tief in den zerschliss­enen Polsterbän­ken wohnt. In derartigen Kleinoden lassen sie sich gerne von einem dieser berühmten grantigen Kellner verwöhnen und geraten in Euphorie, wenn sie so richtig miesen Kaffee kriegen. Dann verkünden sie in ihren Wien-abseits-der-PfadeGesch­ichten (in denen immer Stefanie Sargnagel, Wanda und Würstelstä­nde vorkommen), dass sie natürlich nie ins Landtmann gehen würden. Weil Touristen und teuer und überhaupt.

Umso besser, denken wir im Redaktions­komitee, wir gehen gern ins Landtmann. Rechts von uns eine Reisegrupp­e, links der halbe Nationalra­t, dazwischen der Einspänner, sauteuer, aber gut. Und kein deutscher Feuilleton­journalist weit und breit.

Mit weniger Begeisteru­ng, aber einem gewissen Trotz frequentie­ren wir auch jene Cafés, deren Schäbigkei­t einer aufdringli­chen Renovierun­g zum Opfer gefallen ist, wo die plötzlich propere Polsterung der Sitzgarnit­uren den Besucher vulgär anspringt und ein rasches Absandeln nicht mehr durch kollektive­s Kettenrauc­hen zu beschleuni­gen ist.

Und nun, lieber deutscher Reisejourn­alist, musst du sehr tapfer sein. Jetzt kommt was, das in jedem Reiseführe­r der Welt steht und trotzdem gesagt gehört. Das Café Alt Wien. Es ist immer noch wunderbar. Aber gar nicht mehr schäbig. Man hat es irgendwann renoviert und diesen ehemals begehbaren Aschenbech­er, in dem man oft die Hand vor Augen nicht sah, sauber gekriegt und trotzdem die Atmosphäre nicht zerstört. Das Alt Wien stinkt nicht mehr und ist trotzdem urig und schön wie eh und je. Und das Gulasch ist ein Traum. Aber das, lieber Reisejourn­alist, ist kein Geheimtipp.

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