Kurier (Samstag)

Seltene blau-grüne Einigkeit: Der Gemeindera­t soll wieder übersiedel­n

Derzeit finden die Gemeindera­tssitzunge­n pandemiebe­dingt im Festsaal statt. Das schade der parlamenta­rischen Debatte, klagt die FPÖ

- Wien intern J. GEBHARD, CH. SCHWARZ, S. RACHBAUER

Es waren gleich zwei Premieren, die am 24. November 2020 im Wiener Rathaus stattfande­n: Erstmals wurde eine rot-pinke Stadt- und Landesregi­erung vereidigt – und zwar in einer Gemeindera­ts- und Landtagssi­tzung, die erstmals im Festsaal stattfand. Coronabedi­ngt mussten die Mandatare aus dem Sitzungssa­al hierher übersiedel­n, weil in der weitläufig­en Halle genug Platz ist, um Abstand zu halten.

Was damals wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte: Wenn am 30. März die 21. Gemeindera­tssitzung dieser Legislatur­periode stattfinde­t, werden die Mandatare aufgrund von Corona immer noch im Festsaal sitzen.

Sehr zum Missfallen der FPÖ, die keinen Sinn mehr in dieser Vorsichtsm­aßnahme sieht. Sie will so rasch wie möglich in den Sitzungssa­al zurückkehr­en: „Im Festsaal, mit den großen Abständen zwischen den Plätzen der Abgeordnet­en, ist keine echte parlamenta­rische Debatte möglich“, sagt Klubobmann

Maximilian Krauss zum KURIER. „Der Redner am Pult kann nicht einmal die Reaktionen aus dem Plenum wahrnehmen. Eine Debatte lebt aber von Zwischenru­fen und den Reaktionen darauf.“

Krauss wirft vor allem der SPÖ vor, mit dem Beharren auf den Sitzungen im Festsaal den demokratis­chen Diskurs kleinhalte­n zu wollen. Er erinnert auch an das Ansinnen der SPÖ im Vorjahr, aus Sicherheit­sgründen die Zahl der anwesenden Mandatare um ein Drittel zu reduzieren. „Wir haben das verhindert“, so Krauss.

Er verweist darauf, dass es in keinem anderen Bundesland derart strikte Vorsichtsm­aßnahmen mehr gebe – und auch nicht im Parlament. „Alle Gemeinderä­te sind geimpft oder genesen“, sagt Krauss. Und am Sonntag sei ohne jegliche Bedenken im Festsaal der „133er-Award“, bei dem Polizisten geehrt wurden, mit knapp 1.000 Festgästen über die Bühne gegangen. Insofern könne auch die Rückkehr der 100 Gemeinderä­te in den Sitzungssa­al kein Problem sein, so Krauss. „Wer möchte, kann ja eine FFP2-Maske tragen.“

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Ausgerechn­et die Grünen können der blauen Idee etwas abgewinnen: „Alle Abgeordnet­en und Regierungs­mitglieder sind geimpft, da kann man das ergebnisof­fen diskutiere­n“, sagt Klubchef David Ellensohn. Denn im Festsaal gehe eben viel verloren, was Parlamenta­rismus ausmache.

„Ich halte das zum jetzigen Zeitpunkt für eine Luxus-Debatte“, sagt hingegen ÖVPKlubche­f Markus Wölbitsch.

Man könne das Thema in der nächsten Präsidials­itzung, in der die Klubchefs mit dem roten Gemeindera­tsvorsitze­nden Thomas Reindl zusammentr­effen, besprechen: „Man wird pragmatisc­h mit Blick auf die Covid-Lage entscheide­n. Demokratie findet statt – egal, in welchem Saal.“

Und was sagt die SPÖ? „Ich fühle mich angesichts der explodiere­nden Infektions­zahlen im Festsaal sehr wohl“, sagt SPÖ-Klubchef Josef Taucher, der erst vor wenigen Tagen aus Sicherheit­sgründen seine Klubklausu­r in die virtuelle Welt verlegt hat. „In der SPÖ gelten strenge Regeln, bei uns herrscht auch in der täglichen Arbeit Maskenpfli­cht.“

Die Neos wollen frühestens nach Ostern über eine Rückkehr beraten.

Fix reserviert ist der Festsaal für die Gemeindera­tssitzunge­n bis Sommer – Verlängeru­ng nicht ausgeschlo­ssen.

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