Wenn das Auto plötzlich beschleunigt Verkehr.
Nicht immer reagieren Fahrzeuge mit Assistenzsystemen so, wie sie sollten. Was dahintersteckt und was das für Fahrer bedeutet
Man stelle sich vor, man sitzt im neuen Auto. Wie viele aktuelle Modelle, hat es einen intelligenten Geschwindigkeitsassistenten eingebaut. Plötzlich beginnt das Fahrzeug, in einer 30er-Zone automatisch auf 70 km/h zu beschleunigen und man muss schleunigst auf die Bremse steigen.
Dadurch kommt das Auto ins Schleudern und man erleidet im besten Fall lediglich einen gehörigen Schrecken. Derartiges kann in der Praxis durchaus passieren, wenn sich Autofahrer zu sehr auf das eingebaute Assistenzsystem verlassen.
Häufige Fehlerquelle
Der häufigste Grund für die plötzliche, selbstständige Raserei des Autos: Das System hat die Geschwindigkeitstafel nicht richtig lesen können, weil diese eingeschneit war oder Starkregen die Sicht des Systems stark eingeschränkt hat. „Für Fahrer ist es natürlich sehr unangenehm, wenn das Auto plötzlich automatisch beschleunigt und ich das gar nicht will“, sagt Gerald Ostermayer, der sich an der FH Hagenberg mit Fahrzeugassistenzsystemen beschäftigt. Doch nicht immer handelt es sich dabei um einen Fehler des Fahrzeugs. Manchmal wissen Fahrer einfach zu wenig über die Grenzen von Assistenzsystemen.
Regen oder Schnee
Wenn es etwa stark regnet oder schneit, kommt es bei fast allen Assistenzsystemen zu starken Einschränkungen. Das gilt für den Geschwindigkeitsassistenten genauso wie für Notbrems-, oder Spurhalteassistenten. Menschen können sich in solchen Fällen nicht gleichermaßen auf die Systeme verlassen wie bei normalen Witterungsbedingungen. Diese Grenzen müssen Fahrer kennen – tun sie aber sehr häufig nicht. Das belegt auch eine Studie des Automobilverbands FIA.
Der Branchenverband hat über 9.000 Fahrer aus sechs europäischen Ländern befragt und festgestellt, dass viele Autobesitzer eine Art „Übervertrauen“in die Assistenzsysteme haben. „Mangelhaftes Wissen führt nicht selten zu einer Überschätzung der tatsächlichen Leistung von Assistenzsystemen in Autos“, warnt Friedrich Eppel, ÖAMTC-Spezialist für automatisierte und vernetzte Mobilität. Daher sollte der Umgang mit Fahrerassistenzsystemen seiner Ansicht nach auch verpflichtend in die Führerscheinausbildung aufgenommen werden. Doch natürlich müssen auch die Hersteller der Systeme in die Pflicht genommen werden. „Im Idealfall würde ein System, das gerade aufgrund von Witterungsbedingungen nicht oder nur eingeschränkt funktioniert, seine Lenker mit einer blinkenden Meldung warnen“, schlägt Eppel vor.
Außerdem rät Eppel dazu, realistisch zu sein: „Wenn einem ein Hirsch zwei Meter vor dem Auto reinspringt, kann kein Bremssystem rechtzeitig stehen bleiben. Das geht technisch nicht“, sagt der Experte.
„Eigenleben“
Neben dem intelligenten Geschwindigkeitsassistenten haben auch Spurhaltesysteme und Notbremsassistenten hin und wieder ein „Eigenleben“, wie Forscher der TU Graz erzählen. Bei den Spurhaltesystemen liegt das sehr oft an der Qualität der Bodenmarkierungen. Oftmals sei die reflektierende Schicht abgekratzt, erklärt Arno Eichberger vom Institut für Automotive Engineering an der TU Graz. Außerdem würden die Fahrstreifenmarkierungen von Land zu Land unterschiedlich aussehen. Hier bräuchte es eine Vereinheitlichung.
„Mangelhaftes Wissen führt nicht selten zu einer Überschätzung der tatsächlichen Leistung von Assistenzsystemen“
Friedrich Eppel ÖAMTC-Spezialist
Notbremsassistenten
Bei Notbremsassistenten bremsen Autos eher zu selten als zu oft. Das liegt daran, dass Hersteller vermeiden wollen, dass Fahrzeuge bei jedem kleinsten Hindernis stehen bleiben. Doch auch das führt dazu, dass Autolenker immer wachsam bleiben müssen.
„Es ist ein Kompromiss zwischen Robustheit und Sensibilität“, sagt Ostermayer von der FH Hagenberg. „Als Nutzer möchte ich mich auf ein System verlassen können. Das Problem ist aber, dass ich mit der Einführung eines Systems nicht so lange warten kann, bis es perfekt ist. Es werden immer wieder Situationen auftreten, die man im Labor nicht testen konnte“, so der Experte.