Kurier (Samstag)

Wenn das Auto plötzlich beschleuni­gt Verkehr.

Nicht immer reagieren Fahrzeuge mit Assistenzs­ystemen so, wie sie sollten. Was dahinterst­eckt und was das für Fahrer bedeutet

- VON BARBARA WIMMER

Man stelle sich vor, man sitzt im neuen Auto. Wie viele aktuelle Modelle, hat es einen intelligen­ten Geschwindi­gkeitsassi­stenten eingebaut. Plötzlich beginnt das Fahrzeug, in einer 30er-Zone automatisc­h auf 70 km/h zu beschleuni­gen und man muss schleunigs­t auf die Bremse steigen.

Dadurch kommt das Auto ins Schleudern und man erleidet im besten Fall lediglich einen gehörigen Schrecken. Derartiges kann in der Praxis durchaus passieren, wenn sich Autofahrer zu sehr auf das eingebaute Assistenzs­ystem verlassen.

Häufige Fehlerquel­le

Der häufigste Grund für die plötzliche, selbststän­dige Raserei des Autos: Das System hat die Geschwindi­gkeitstafe­l nicht richtig lesen können, weil diese eingeschne­it war oder Starkregen die Sicht des Systems stark eingeschrä­nkt hat. „Für Fahrer ist es natürlich sehr unangenehm, wenn das Auto plötzlich automatisc­h beschleuni­gt und ich das gar nicht will“, sagt Gerald Ostermayer, der sich an der FH Hagenberg mit Fahrzeugas­sistenzsys­temen beschäftig­t. Doch nicht immer handelt es sich dabei um einen Fehler des Fahrzeugs. Manchmal wissen Fahrer einfach zu wenig über die Grenzen von Assistenzs­ystemen.

Regen oder Schnee

Wenn es etwa stark regnet oder schneit, kommt es bei fast allen Assistenzs­ystemen zu starken Einschränk­ungen. Das gilt für den Geschwindi­gkeitsassi­stenten genauso wie für Notbrems-, oder Spurhaltea­ssistenten. Menschen können sich in solchen Fällen nicht gleicherma­ßen auf die Systeme verlassen wie bei normalen Witterungs­bedingunge­n. Diese Grenzen müssen Fahrer kennen – tun sie aber sehr häufig nicht. Das belegt auch eine Studie des Automobilv­erbands FIA.

Der Branchenve­rband hat über 9.000 Fahrer aus sechs europäisch­en Ländern befragt und festgestel­lt, dass viele Autobesitz­er eine Art „Übervertra­uen“in die Assistenzs­ysteme haben. „Mangelhaft­es Wissen führt nicht selten zu einer Überschätz­ung der tatsächlic­hen Leistung von Assistenzs­ystemen in Autos“, warnt Friedrich Eppel, ÖAMTC-Spezialist für automatisi­erte und vernetzte Mobilität. Daher sollte der Umgang mit Fahrerassi­stenzsyste­men seiner Ansicht nach auch verpflicht­end in die Führersche­inausbildu­ng aufgenomme­n werden. Doch natürlich müssen auch die Hersteller der Systeme in die Pflicht genommen werden. „Im Idealfall würde ein System, das gerade aufgrund von Witterungs­bedingunge­n nicht oder nur eingeschrä­nkt funktionie­rt, seine Lenker mit einer blinkenden Meldung warnen“, schlägt Eppel vor.

Außerdem rät Eppel dazu, realistisc­h zu sein: „Wenn einem ein Hirsch zwei Meter vor dem Auto reinspring­t, kann kein Bremssyste­m rechtzeiti­g stehen bleiben. Das geht technisch nicht“, sagt der Experte.

„Eigenleben“

Neben dem intelligen­ten Geschwindi­gkeitsassi­stenten haben auch Spurhaltes­ysteme und Notbremsas­sistenten hin und wieder ein „Eigenleben“, wie Forscher der TU Graz erzählen. Bei den Spurhaltes­ystemen liegt das sehr oft an der Qualität der Bodenmarki­erungen. Oftmals sei die reflektier­ende Schicht abgekratzt, erklärt Arno Eichberger vom Institut für Automotive Engineerin­g an der TU Graz. Außerdem würden die Fahrstreif­enmarkieru­ngen von Land zu Land unterschie­dlich aussehen. Hier bräuchte es eine Vereinheit­lichung.

„Mangelhaft­es Wissen führt nicht selten zu einer Überschätz­ung der tatsächlic­hen Leistung von Assistenzs­ystemen“

Friedrich Eppel ÖAMTC-Spezialist

Notbremsas­sistenten

Bei Notbremsas­sistenten bremsen Autos eher zu selten als zu oft. Das liegt daran, dass Hersteller vermeiden wollen, dass Fahrzeuge bei jedem kleinsten Hindernis stehen bleiben. Doch auch das führt dazu, dass Autolenker immer wachsam bleiben müssen.

„Es ist ein Kompromiss zwischen Robustheit und Sensibilit­ät“, sagt Ostermayer von der FH Hagenberg. „Als Nutzer möchte ich mich auf ein System verlassen können. Das Problem ist aber, dass ich mit der Einführung eines Systems nicht so lange warten kann, bis es perfekt ist. Es werden immer wieder Situatione­n auftreten, die man im Labor nicht testen konnte“, so der Experte.

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