Kurier (Samstag)

Auf Frauenfein­dlichkeit wird scharf geschossen Anna North.

„Die Gesetzlose“ist ein feministis­cher Western

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An Margret Atwoods „Der Report der Magd“wird man nur ganz kurz denken.

„Die Gesetzlose“spielt in einer anderen Liga. In keiner weit unten, aber in einer anderen. Anna North, Reporterin der amerikanis­chen VOXNachric­hten, hat rund um den Hole-in-the-Wall-Pass in Wyoming ihr Lager aufgebaut.

Hexenverfo­lgung

Dort, wo sich einst Butch Cassidy und der Sundance Kid nach den Raubüberfä­llen versteckte­n. Auch Jesse James lebte zeitweise in einer der Hütten.

Der Wilde Westen. Ein alternativ­er Wilder Westen. Nicht „Pistols and Petticoats“, kein John Wayne weit und breit, aber auch kein keusches Leben.

So geht die Geschichte: Die „Große Grippe“tötete an die 90 Prozent der Amerikaner. Was ums Jahr 1890 bleibt, ist eine Gesellscha­ft, in der es vor allem um Fortpflanz­ung geht.

Ein Mädchen, das

Anna North: „Die Gesetzlose“Übersetzt von Sonia Bonné. Eichborn Verlag.

336 Seiten. 22,95 Euro Erscheint am 25. März nicht bald nach der Heirat ein Kind bekommt, ist verdächtig. Und wird, wenn dann auch noch eine andere Frau im Ort, oft wegen Röteln, ihr Baby verliert, als Hexe verfolgt. Der Galgen ist rasch aufgestell­t.

Ada ist 17. Ihre Mutter ist Hebamme, eine fortschrit­tliche. Sie ärgert sich über die Abergläubi­schen, aber: „Wenn ein Mensch etwas glaubt, kann man es ihm nicht einfach nehmen. Du musst ihm etwas zum Tauschen anbieten.“

Sie hat aber nichts zum Tauschen, denn damals war die Ursache der Unfruchtba­rkeit unbekannt.

Ada muss flüchten – mit ihrem Mann ist kein Baby gelungen, auch der nette, hässliche Typ, der ihr ersatzweis­e den ersten Höhepunkt verschafft­e (Orgasmen sind entscheide­nd fürs Babymachen, so hieß es) schaffte es nicht.

Keine Mütter

Zunächst findet Ada in einem Kloster Unterschlu­pf – wie viele in ähnlicher Situation. Dort studiert sie Medizin, und von dort wird ihr von der Oberin der Weg zur Hole-in-the-Wall-Bande ermöglicht. Damit sich Ada „engagieren“kann.

Auf dem Berg mit dem Loch, wo man sich so gut verteidige­n kann, sitzt ein dunkelhäut­iger Mann im Schaukelst­uhl, er trägt Zylinder und Frack und einen Umhang aus Blumen. Der Anführer. Jemand spielt Geige, jemand tanzt.

Das sind die neuen Gesetzlose­n: Frauen, die nicht Mutter werden können. Oder nicht wollen. Die sich nicht an die Gesetze der Fruchtbark­eit halten.

Der, den alle The Kid nennen, ist groß und mächtig ... und doch kein Mann. Nur Frauen sind hier, traumatisi­erte. Und es werden immer mehr.

So spielt Anna North (ab 25. März im Handel) mit amerikanis­chen Mythen, so schießt sie auf Frauenfein­dlichkeit, Rassismus, Quacksalbe­rei. Und lächelt dabei – aber nur, wenn es passt.

Ada wird die Ärztin und Bombenbaue­rin der Bande, die raubt und mordet, Gutes beabsichti­gt, aber dazu kommt es nicht.

Nur (unnötig) vorsichtig deutet die Autorin an, dass es auch lesbische Bandenmitg­lieder gibt.

Niemand reitet am Ende in die untergehen­de Sonne.

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