Kurier (Samstag)

TRENDS: EIN KOMMEN UND GEHEN

- flaschenpo­st@kurier.at

Die Versuchung, Trends zu folgen ist naturgemäß groß – verspricht man sich davon doch Erfolg und Zugehörigk­eit. Ein zweischnei­diges Schwert: Zwar bringt man träge Gäule auf Trab, verliert aber an Identität. So erlagen ganze Weinbaureg­ionen den Verlockung­en launiger Moden. Etwa im Chianti, wo man drohte, völlig die Orientieru­ng zu verlieren. In den 1970er-Jahren büßte Chianti dermaßen an Image ein – Stichwort Korbflasch­en mit dem treffenden Namen „fiasco“–, dass einzelne Produzente­n auf die Herkunftsk­lassifizie­rung DOC pfiffen und fortan Tafelweine nach Bordeaux-Vorbild bastelten. Sangiovese wurde mit internatio­nalen Sorten wie Cabernet Sauvignon aufgepeppt oder ganz ersetzt. Die Stilkopien wurden zum Hype und kursierten als Supertusca­ns unter so klingenden Namen wie Tignanello, Sassicaia, Ornellaia oder Solaia, die man zunehmend um Bolgheri im Süden der Toskana anbaute. Gaumenschm­eichler, die hübsche Bewertunge­n und Umsätze bescherten. Der Preis war hoch: Charakterv­erlust bis zur völligen Verwechsel­barkeit. Selbst das Chianti Classico Konsortium beugte sich dem Diktat der Mode und erlaubte, die Weine mit Cabernet & Co. aufzumotze­n. Doch kein Trend ohne Gegentrend: Weltweit will man heute authentisc­he Weine, die Flagge zeigen. Das bemerkte man auch im Chianti: Kleine Winzer zeigten es vor und selbst manch berühmter Name kehrt nun reumütig zu Sangiovese traditione­ller Machart und anderen alten, regionalen Sorten zurück. Bis zum nächsten Trend zumindest.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

„Chianti büßte in den 1970ern enorm an Image ein. Stichwort Korbflasch­en mit dem treffenden Namen ,fiasco’.“

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