Anstieg bis zu sieben Prozent: Inflation wird Dauer-Ärgernis Konjunktur.
Reallöhne sinken, Embargo auf Russen-Gas wäre für Wirtschaft fatal
Selten zuvor haben die Wirtschaftsforscher derart im Dunkeln getappt, was die weitere Wirtschaftsentwicklung angeht. Die Pandemie ist noch nicht überwunden, ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht absehbar, die Verbraucherstimmung ist mies, die hohe Inflation vertreibt jeden Optimismus.
Bessere Zeiten? Bitte warten!
Konkret heißt das: Die Industrie dürfte ab dem zweiten Quartal stagnieren und trotz Steuerreform sinken Nettolöhne und Kaufkraft aufgrund der hohen Teuerung. Sie betrifft jetzt nicht mehr nur die Spritpreise sowie Gas und Strom, sondern schlägt auch schon bei den Lebensmittelpreisen durch.
Die Hoffnung der Experten von Wifo und IHS, die am Freitag ihre neue Prognose für heuer und 2023 abgegeben haben, ruht heuer auf dem Tourismus und den Dienstleistungsbereichen wie der Kultur- und Freizeitwirtschaft beziehungsweise auf dem Handel. Der Tourismus alleine soll heuer die Hälfte zum Wirtschaftswachstum von 3,9 Prozent beitragen – bleibt aber noch deutlich (um rund 15 Prozent) unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2019.
Die größte Belastung für die Bevölkerung stellt derzeit die Inflation dar. In einzelnen Monaten dürfte die Teuerung auf sieben Prozent klettern. Über das ganze Jahr gesehen erwarten Wifo und IHS eine Inflation von 5,5 bis 5,8 Prozent.
Wie vor 40 Jahren
So hoch war der Anstieg der Verbraucherpreise zuletzt Anfang der 1980er-Jahre. Die Folge: Die Bruttoreallöhne sinken heuer um 2,3 Prozent, der höchste je gemessene Wert. Netto, also nach Abzug der Entlastung aus der Steuerreform,
beträgt der Rückgang der Löhne noch immer 1,1 Prozent. „Ein Krieg in Europa macht uns alle ärmer – das sehen wir bei den Reallöhnen“, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.
Entsprechend höhere Lohnforderungen seitens der Gewerkschaft sind zu erwarten, die sechs Prozent in der Elektroindustrie könnten nur ein Vorgeschmack sein.
Zusätzliche Hilfe nötig
Die Regierung musste bereits ein Vier-Milliarden-AntiTeuerungspaket schnüren. Laut Felbermayr müssten auch noch Hilfen für besonders einkommensschwache Menschen kommen. Sozialleistungen werden bisher nicht an die Inflation angepasst.
Die Staatsfinanzen werden aber nicht nur durch den Kampf gegen die Inflation belastet. Aufgrund der gestiegenen Öl- und Gaspreise verteuern sich die Energieimporte
von früher rund zehn Milliarden pro Jahr auf mittlerweile 20 bis 25 Milliarden. Das Budgetdefizit dürfte heuer 2,4 Prozent betragen.
Gegen die anhaltend hohen Energiepreise würde übrigens nur eine massive Aufwertung des Euro helfen. Weil die USA aber die Zinsen anheben und viel Geld in den Dollar-Raum fließt, steht der Euro eher unter Abwertungsdruck. Das heizt die Inflation zusätzlich an.
Besonders schlimm wäre ein Importstopp für russisches Gas. Um zwei bis vier Prozent würde die heimische Wirtschaft schrumpfen, schätzt das Wifo. Weniger schlimm wäre ein Embargo auf russisches Öl, da lassen sich viel leichter andere Anbieter finden. Entscheidend sei, so Felbermayr: „Wir dürfen uns auf keinen Fall auseinanderdividieren lassen.“Die EU müsse gegen Russland weiter geeint auftreten.