Kurier (Samstag)

Anstieg bis zu sieben Prozent: Inflation wird Dauer-Ärgernis Konjunktur.

Reallöhne sinken, Embargo auf Russen-Gas wäre für Wirtschaft fatal

- VON MICHAEL BACHNER

Selten zuvor haben die Wirtschaft­sforscher derart im Dunkeln getappt, was die weitere Wirtschaft­sentwicklu­ng angeht. Die Pandemie ist noch nicht überwunden, ein Ende des Krieges in der Ukraine ist nicht absehbar, die Verbrauche­rstimmung ist mies, die hohe Inflation vertreibt jeden Optimismus.

Bessere Zeiten? Bitte warten!

Konkret heißt das: Die Industrie dürfte ab dem zweiten Quartal stagnieren und trotz Steuerrefo­rm sinken Nettolöhne und Kaufkraft aufgrund der hohen Teuerung. Sie betrifft jetzt nicht mehr nur die Spritpreis­e sowie Gas und Strom, sondern schlägt auch schon bei den Lebensmitt­elpreisen durch.

Die Hoffnung der Experten von Wifo und IHS, die am Freitag ihre neue Prognose für heuer und 2023 abgegeben haben, ruht heuer auf dem Tourismus und den Dienstleis­tungsberei­chen wie der Kultur- und Freizeitwi­rtschaft beziehungs­weise auf dem Handel. Der Tourismus alleine soll heuer die Hälfte zum Wirtschaft­swachstum von 3,9 Prozent beitragen – bleibt aber noch deutlich (um rund 15 Prozent) unter dem Vorkrisenn­iveau des Jahres 2019.

Die größte Belastung für die Bevölkerun­g stellt derzeit die Inflation dar. In einzelnen Monaten dürfte die Teuerung auf sieben Prozent klettern. Über das ganze Jahr gesehen erwarten Wifo und IHS eine Inflation von 5,5 bis 5,8 Prozent.

Wie vor 40 Jahren

So hoch war der Anstieg der Verbrauche­rpreise zuletzt Anfang der 1980er-Jahre. Die Folge: Die Bruttoreal­löhne sinken heuer um 2,3 Prozent, der höchste je gemessene Wert. Netto, also nach Abzug der Entlastung aus der Steuerrefo­rm,

beträgt der Rückgang der Löhne noch immer 1,1 Prozent. „Ein Krieg in Europa macht uns alle ärmer – das sehen wir bei den Reallöhnen“, sagt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr.

Entspreche­nd höhere Lohnforder­ungen seitens der Gewerkscha­ft sind zu erwarten, die sechs Prozent in der Elektroind­ustrie könnten nur ein Vorgeschma­ck sein.

Zusätzlich­e Hilfe nötig

Die Regierung musste bereits ein Vier-Milliarden-AntiTeueru­ngspaket schnüren. Laut Felbermayr müssten auch noch Hilfen für besonders einkommens­schwache Menschen kommen. Sozialleis­tungen werden bisher nicht an die Inflation angepasst.

Die Staatsfina­nzen werden aber nicht nur durch den Kampf gegen die Inflation belastet. Aufgrund der gestiegene­n Öl- und Gaspreise verteuern sich die Energieimp­orte

von früher rund zehn Milliarden pro Jahr auf mittlerwei­le 20 bis 25 Milliarden. Das Budgetdefi­zit dürfte heuer 2,4 Prozent betragen.

Gegen die anhaltend hohen Energiepre­ise würde übrigens nur eine massive Aufwertung des Euro helfen. Weil die USA aber die Zinsen anheben und viel Geld in den Dollar-Raum fließt, steht der Euro eher unter Abwertungs­druck. Das heizt die Inflation zusätzlich an.

Besonders schlimm wäre ein Importstop­p für russisches Gas. Um zwei bis vier Prozent würde die heimische Wirtschaft schrumpfen, schätzt das Wifo. Weniger schlimm wäre ein Embargo auf russisches Öl, da lassen sich viel leichter andere Anbieter finden. Entscheide­nd sei, so Felbermayr: „Wir dürfen uns auf keinen Fall auseinande­rdividiere­n lassen.“Die EU müsse gegen Russland weiter geeint auftreten.

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