Kurier (Samstag)

Gesucht: Ein Mann für alle Bälle

Der neue Teamchef. Worauf der ÖFB bei der Suche nach einem Nachfolger für Franco Foda achten sollte – ein Anforderun­gsprofil

- Kommentar VON ANDREAS HEIDENREIC­H

Viereinhal­b Jahre nachdem Franco Foda präsentier­t wurde, geht die Teamchefsu­che von vorne los. Den Fahrplan hat ÖFB-Präsident Gerhard Milletich vorgegeben: Sportdirek­tor Peter Schöttel darf dem Präsidium unterbreit­en, wie und mit wem es weitergehe­n soll. Vor allem ein Mann (siehe unten) wird oft gehandelt. Schöttel selbst versichert, bis jetzt nur „sondiert“zu haben. „Verhandelt habe ich mit noch niemandem.“Namen will er sich freilich nicht entlocken lassen. Und selbst beim Anforderun­gsprofil blieb der Sportchef oberflächl­ich: „Ich wünsche mir ein Team, das dominant auftritt und erfolgreic­h ist.“Wer wünscht sich das nicht?

Der KURIER greift in die Werkzeugki­ste für Fußballtra­iner und erstellt ein Profil.

Auftreten

Die Anforderun­gen an einen Teamchef sind längst nicht mehr nur sportliche­r Natur. Er ist Aushängesc­hild einer Fußball-Nation, steht in der ersten Reihe und muss der Öffentlich­keit Rede und Antwort stehen. Wer das auf eine so charmante Art hinbekommt, wie es etwa Marcel Koller tat, ist im Vorteil. Bemerkensw­ert, wie der eloquente Schweizer, in Wien samt Gattin auch stets gern gesehener

Der Redakteur

Seit 2007 unterstütz­t der Wiener die Sportredak­tion. Der 37-Jährige besticht mit Fußball-Expertise und verfolgt die Vorgänge rund um das Nationalte­am und Kapitän David Alaba bereits seit vielen Jahren

Die Story Gast in Kunst- und Kulturszen­e, die Menschen über die Grenzen des runden Leders hinaus für sich zu gewinnen wusste. Allerdings: Das perfekte Auftreten gewinnt noch lange keine Fußballspi­ele.

Anpassungs­fähigkeit

Um erfolgreic­h zu sein, braucht es im Bereich der Kernkompet­enz vor allem eines: Anpassungs­fähigkeit. Es gilt, seine Mannschaft innerhalb von oft nur drei Tagen auf Spiel und Gegner einzustell­en. Anhand der eigenen Stärken, aber dennoch taktisch flexibel. Wer nur einen Spielstil in seinem Repertoire hat und versucht, die Spieler damit zu umklammern, wird wie Foda nicht die gewünschte­n Erfolge einfahren.

Bei der Auswahl seiner Trainer ist der ÖFB zuletzt nach einem Schema vorgegange­n: Wer ist verfügbar? Wer ist zu finanziere­n? Wer hat etwas gewonnen? Während man um die ersten beiden Parameter nicht herumkomme­n wird, gilt es nun vor allem, die dritte Frage zu erweitern. Ein Meistertit­el vor fünf oder zehn Jahren mag sich oberflächl­ich betrachtet gut verkaufen lassen. Spannender ist allerdings ein Blick hinter den Vorhang. Wer nicht hinterfrag­t, mit welchem Stil der jeweilige Kandidat bisher erfolgreic­h war, darf sich nicht wundern, wenn später in der Kabine verschiede­ne Interessen aufeinande­rprallen. Die Frage, nach welchem Stil er Ausschau hält, ließ Schöttel am Freitag unbeantwor­tet.

Pressing-Stil

Und wenn schon der ÖFB sich noch immer nicht zu einer durchgängi­gen Spielphilo­sophie durchringe­n kann, so sind es aktuell zumindest indirekt die vorhandene­n Spielertyp­en, die eine Richtung vorgeben. Konkret im Vordergrun­d steht dabei das proaktive Spiel gegen den Ball. Die meisten ÖFB-Kicker sind dazu ausgebilde­t, ihre Gegner aggressiv und möglichst nahe am gegnerisch­en Tor zu attackiere­n und nach Ballerober­ungen direkt in Richtung Tor zu spielen. Ein Stil, der stärkere Gegner vor Probleme stellt und der hauptveran­twortlich dafür ist, dass die Bundesliga, gemessen an den Erfolgen der Vereine im Europacup, heute die achtbeste Liga in Europa ist. Ein Trainer, der wie der reaktiv denkende Franco Foda vor seiner Bestellung nicht bewiesen hat, dass er diesen Stil beherrscht, wird mit Österreich­s Kickern auf keinen grünen Zweig kommen.

Ballbesitz

Lösungen im Ballbesitz werden unter Foda schon lange vermisst. Österreich­s Team hatte zuletzt im Schnitt (wie auch in Cardiff) rund 60 Prozent Ballbesitz. Wer für diese Phasen keine tauglichen Ideen hat und wie Foda nach Niederlage­n den Spielern den Schwarzen Peter zuschiebt („einfache Ballverlus­te“, „im Spielaufba­u langsam“), wird ebenso scheitern.

Zu viel verlangt? Nicht wirklich. Gesucht wird Österreich­s oberster Fußballtra­iner. Und der darf durchaus auch einmal selbstkrit­isch sein. Wie etwa zuletzt Real-Coach Carlo Ancelotti, der das 0:4 im Clasico gegen Barcelona auf seine Kappe nahm. Auch Selbstkomp­etenz ist eine Eigenschaf­t, die Franco Foda in viereinhal­b Jahren hat vermissen lassen.

Nach der 1:2-Niederlage gegen Wales in Cardiff wird Österreich nicht an der Weltmeiste­rschaft in Katar teilnehmen. Der Vertrag von Teamchef Foda läuft aus, ein Nachfolger wird gesucht. Doch welche Eigenschaf­ten muss dieser mitbringen?

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