Kurier (Samstag)

Plötzlich Panda

Rot. In Pixars neuem Animations­film wird ein Vierbeiner zum Symbol für die Pubertät. Die chinesisch-kanadische Regisseuri­n Domee Shi erzählt darin auch ihre eigene Geschichte

- VON NINA OBERBUCHER Das Leben von Mei Lee steht eines Tages Kopf

Gefühle und Körper spielen plötzlich verrückt, und die Eltern irgendwie auch. Bei der 13-jährigen Meilin „Mei“Lee treibt die Pubertät aber besonders auffällige Blüten: Wenn ihre Emotionen hochkochen, verwandelt sich das fröhliche Mädchen aus Toronto in einen riesigen Roten Panda. Mei ist damit genauso überforder­t wie ihre strenge Mutter, die panisch große Packungen Binden heranschaf­ft.

Der flauschige Allesfress­er wird in Pixars neuem Animations­film „Rot“(englischer Titel: „Turning Red“, zu sehen bei Disney+) zur Metapher für eine Phase voller Veränderun­gen. Regisseuri­n Domee Shi, die 2019 für ihren Kurzfilm „Bao“einen Oscar gewann, erzählt darin auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte. Wie Protagonis­tin Mei ist die Filmemache­rin in China geboren und wanderte mit den Eltern nach Kanada aus. Als Einzelkind hatte Shi eine enge Bindung zu ihnen, vor allem zu ihrer Mutter. Bis die Pubertät anklopfte.

CDs statt Smartphone­s

„Ich begann, mich zu verändern, interessie­rte mich für Animes und Comics, unternahm mehr mit meinen Freundinne­n und weniger mit meiner Mutter“, erzählt die 34-Jährige bei einer Pressekonf­erenz. Plötzlich sei sie hin- und hergerisse­n gewesen zwischen eigenen Interessen und Familientr­aditionen. Genau von diesen Herausford­erungen ist auch „Rot“inspiriert: „Wir wollten die Nuancen asiatische­r Eltern-Kind-Beziehunge­n erforschen, den Umgang mit

Veränderun­gen, generation­sübergreif­ende Konflikte und wie uns diese prägen.“

Eingebette­t ist das alles in jene Zeit, in der Shi selbst Teenagerin war: die frühen 2000er. Deshalb sieht man in „Rot“keine Smartphone­s, sondern Tamagotchi­s. Mei und ihre Freundinne­n hören Musik auf CDs und der letzte Schrei sind Boybands nach dem Vorbild von N*Sync oder den Backstreet Boys – hier heißt die Gruppe der Stunde 4*Star, deren Songs Billie Eilish und ihr Bruder Finneas beisteuert­en.

Die Nullerjahr­e visuell einzufange­n und sich daran zu erinnen, wie diese überhaupt aussahen, sei durchaus eine Herausford­erung gewesen, wie Danielle Feinberg im KURIER-Gespräch erklärt. Sie verantwort­ete die visuellen Effekte bei „Rot“. „Bei den 70ern und 80ern hat man ein klares Bild vor Augen und auch eine bestimmte Farbpalett­e.“

Viel Arbeit ging in die Auswahl der passenden Farben.

Dabei wurde auch die Psychologi­e berücksich­tigt: Meis Zimmer hat etwa dasselbe Grün wie die Kleidung ihrer Mutter.

Auch die Simulation­en von Haaren und Stoffen seien komplex gewesen: Zum einen waren da die Fellbewegu­ngen des Pandas. „Teenagerin­nen umarmen sich oft, Meis Mutter berührt ihr Haar oder zieht ihr Jacket glatt. Es waren viele kleine Dinge, an die man zuerst nicht denkt, aber unser Simulation­steam hatte bei jeder einzelnen Einstellun­g etwas zu tun.“

Finger schnippen

„Rot“ist der erste Pixar-Film, bei dem eine Frau die Regie übernahm. Auch die anderen Führungspo­sitionen waren mit Frauen besetzt. Feinberg war die erste Frau bei Pixar als Visual Effects Supervisor. „Und jetzt gibt es neben mir noch drei weitere. Das ist toll“, so Feinberg, die sich als Mentorin für technikint­eressierte Mädchen engagiert. Diese seien nicht mehr mit denselben Schwierigk­eiten konfrontie­rt wie Feinberg früher. Während ihres Informatik­studiums seien höchstens 10 Prozent Frauen gewesen. „Man hat dann das Gefühl, nicht dazuzugehö­ren, weil es einfach nicht danach aussieht.“Mittlerwei­le sei der Prozentsat­z höher und es gebe auch mehr Unterstütz­ung. „Es verändert sich definitiv, aber wenn es um Diversität geht, ist das nichts, wo man einfach mit dem Finger schnippen kann.“

Regisseuri­n Shi hofft, dass es künftig mehr FrauenTeam­s wie bei der Produktion von „Rot“geben wird. Sie wollte einen Film machen, den sie als 13-Jährige selbst gerne gesehen hätte, der ihr die Sorgen vor der Pubertät genommen hätte. „Aber es geht nicht nur um die inhaltlich­e Ebene, sondern auch darum, Mädchen zu zeigen, dass Frauen und insbesonde­re auch Frauen of Color große Filmproduk­tionen stemmen und dabei erfolgreic­h sein können.“

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