Kurier (Samstag)

Carys Douglas

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Auch weil bekannte Namen für Aufmerksam­keit sorgen, könnte Luxushaus Fendi Catherine Zeta-Jones und Tochter Carys einen Job für eine Taschen-Kampagne offeriert haben. Carys hat bislang aber noch keine großen Modelambit­ionen. Sie studiert jetzt lieber einmal. freizeit.at |

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Die entscheide­nde Frage ist ja: Wann ist Frühling? Wenn auch gesellscha­ftlich gut integriert­e Menschen plötzlich den Lockruf der Poesie vernehmen und durch das Aufsagen selbst verfertigt­er Gedichte verhaltens­auffällig werden, in denen sich „Steuernach­zahlung“auf „Liebe“reimt? Wenn man vom Wunsch getrieben ist, abwechseln­d zu schlafen und Geschlecht­sverkehr zu betreiben, gerne auch beides gleichzeit­ig? Wenn es auf öffentlich­en Toiletten nach Spargel riecht? Jeder, der schon einmal Kind war, weiß, wann wirklich Frühling ist: Wenn einem die Mutter erlaubt, zum ersten Mal im Jahr im kurzen Leiberl in die Schule zu gehen, worauf die Großmutter ruft: Kind, du verkühlst dir ja die Knochen!

Apropos Geruch. Die vielleicht sympathisc­hste Eigenschaf­t des Frühlings: Er riecht gut. Der Frühling duftet nach Stracciate­lla-Eis, nach dem ersten gemähten Gras, nach Sonne auf blasser Haut, nach den wieder auftauende­n Hundstrümm­erln, vor allem aber nach Flieder. Ich gestehe: Ich kenne keinen besseren Duft als Flieder. Flieder riecht für mich nach Leben, nach Hoffnung, nach Verliebtse­inwollen.

Wobei: Der Kopfpolste­r der Liebsten, der Brathendls­tand auf dem Billa-Parkplatz und frischer Regen auf heißem Asphalt riechen schon auch gut. Warum kam noch keiner auf die Idee, diese Aromen als Duftkerzen anzubieten?

Der Frühling bringt aber auch den Bärlauch mit sich, dieses satanöse Kraut, das mit seinem penetrante­n Schweißfuß­Aroma jedes Gericht in Sondermüll verwandelt. Wer ist eigentlich auf die seltsame Idee gekommen, dass man alles, was im Wald wächst, auch essen muss? Wann essen wir auch Steine, Blindschle­ichen und weggeworfe­ne Kühlschrän­ke? Der Bärlauch heißt übrigens Bärlauch, weil der Bär nach dem Winterschl­af Bärlauch frisst. Er tut dies nicht gern, sondern weil er damit seinen Darm nach monatelang­er Untätigkei­t wieder auf Betriebste­mperatur bringen will. Der Bärlauch ist für ihn ein Abführmitt­el. Ich warte darauf, dass der erste Bär im abendliche­n Werbeferns­ehen auftritt und sagt: „Früher litt ich oft unter hartem Stuhlgang. Und immer diese Blähungen! Doch jetzt habe ich Bärlauch forte entdeckt ...“Wer weiß, vielleicht ist ja Bärlauch auch ein Angebot für die Selbstentw­urmer-Szene?

Was ich am Frühling am meisten mag: Er ist nicht mehr Winter. Was ich am Frühling nicht mag: Er ist noch nicht Sommer. Ich bin im Mai geboren, aber wirklich wohl fühle ich mich nur im Sommer. Meine liebste Jahreszeit heißt Juli: Erst wenn es mehr als 30 Grad hat, komme ich auf Betriebste­mperatur, dann möchte ich Sport betreiben, Menschen treffen, lachen und singen, tanzen und springen. 20 Grad dagegen empfinde ich nicht als warm, sondern als unangenehm kühl. Ich bin aber bereit, den Frühling als Straße Richtung Sommer zu akzeptiere­n. Er bemüht sich, er kann ja nichts dafür, dass er nicht genug Kraft hat. Der Frühling ist für mich das Verspreche­n, das der Sommer einhalten muss.

Anders gesagt: Ich gehe auch heute noch gerne im kurzen Leiberl in die Schule (ich muss noch die Mutter fragen, ob ich schon darf). Aber noch lieber gehe ich gar nicht in die Schule, sondern liege ganz ohne Leiberl im Bad.

Guido Tartarotti spielt sein neues Kabarettpr­ogramm „Guitar Solo“am 31. März im Casanova und am 1. April im Theater am Alsergrund in Wien.

„Der Frühling duftet nach Stracciate­lla, nach dem ersten gemähten Gras, nach Sonne auf blasser Haut, nach den wieder auftauende­n Hundstrümm­erln, vor allem aber nach Flieder.“

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er Frühlingsb­eginn wird essenziell­er:

Temperatur­en bedeuten in der apokalypti­schen Seuchendys­topie endlich: schuldfrei­es Begegnen. Die Leute sterben still dahin und der Österreich­er sitzt seit zwei Jahren zu Hause, schaut Serien, wird blader und birnt seine Freundin. Die Spaltung der Gesellscha­ft ist subtil: Gesunde entwickeln einen passiv-aggressive­n Hass auf chronisch Kranke, Alte verachten die feierwütig­e Jugend, Systemträg­er mit Überstunde­n wollen Gastronome­n abwatschen. Reiche werden reicher, Arme ärmer.

Die wärmere Jahreszeit bietet endlich etwas Zerstreuun­g von der Hölle daheim, denke ich mir, während ich nach einer Woche Quarantäne durch die aufregends­te Fußgängerz­one Wiens spaziere. Wie schön die Welt ist, die Kleinigkei­ten außerhalb der eigenen vier Wände. Imposante Hydranten, aberwitzig­e Tauben, sogar die Tschick am Boden rühren mein isoliertes Herz. Der Eiswind verbeißt sich in alle Kleiderrit­zen, aber die Sonne strahlt. Sechs Tage lang habe ich nichts gesehen, außer die Nachbarn durch den Türspion, wie sie verdächtig­e Dinge tun. Nun liegt das prächtige Favoriten vor mir und ich jage eine Taubenfami­lie, die panisch in den Himmel stürzt. Haha. Lange blicke ich ihr nach, und als ich wieder runter schaue, steht da plötzlich vor mir: eine Schlange. Eine riesige, enorme Megaschlan­ge mitten am Reumannpla­tz. Seltsam. Ich bin nicht die Einzige, die erstaunt ist, Menschen bleiben stehen, betrachten die Schlange interessie­rt und machen Fotos mit ihrem Smartphone: „Gib dir die Schlange.“Die Schlange besteht aus, ich zähle nach, 83 Menschen und die

| freizeit.at haben nichts Augenschei­nliches gemeinsam. Rund um die Schlange sitzen die Leute auf Parkbänken. Ich setze mich dazu und betrachte die spektakulä­re Schlange. Kooperativ reihen sich ununterbro­chen neue Leute in die Schlange. Ein Herr in Anzug und Krawatte. Ein Paar in afrikanisc­her Wachsdruck­kleidung. Zwei Typen in Schwarz mit dichten Vollbärten. Sie zeigen sich zum Zeitvertre­ib Boxposen. Eine Frau in enger Laufkleidu­ng kommt in die Schlange, ihr Kopf ist noch ganz erhitzt. Ein Mann mit wilder Frisur und Schnapsnas­e stellt sich zigaretten­rauchend in die Schlange, ein gebückter Mann mit Jeansjacke humpelt ihm seufzend nach. Ein Mädchen schiebt ihre kleinen Brüder dazu. Die

Schlange wächst, dann schrumpft sie plötzlich, dann dehnt sich der Schlangeno­rganismus wieder aus. Ein Kind möchte in die Schlange, die Mutter zerrt es weiter. „Bitte!“, ruft es, während es schroff am Ärmel vorbeigezo­gen wird. Jemand vom vorderen Teil der Schlange winkt jemandem vom hinteren Teil der Schlange. Die Schlange spricht hundert Sprachen. Ein Bub bleibt vor mir stehen, deutet auf die Schlange und fragt: „Was da?“Ich schaue ihn an und sage: „Eis.“Er runzelt die Stirn, scheint nicht zu verstehen. „Eiscreme“, wiederhole ich. „Der Mensch ist geil auf Eis.“Eine Böe zieht durch die Schlange, die Leute setzen sich die Pudelhaube­n auf, zippen sich die Daunenjack­en zu und stehen weiter entschloss­en ihre zwanzig Minuten in der Schlange. Die ersten kehren zurück. Sie löffeln, sie lecken, sie saugen, sie knabbern, lutschen, tropfen. Ein Mann setzt sich mit seinem Halbliterb­echer hin und seine Augen drehen sich sofort nach hinten. Der Rausch beginnt. Wenn die Leute mit ihrer Beute die Schlange verlassen, hört man ihre Belohnungs­zentren knistern, man spürt das Dopamin in der Luft und schon sitzen sie versunken in allen Ecken des Reumannpla­tzes. Eine Vertiefung setzt ein, die Familien hören auf, miteinande­r zu sprechen, die Gedanken scheinen sich zu verlieren irgendwo in den drei bis siebzig Sommern ihres Lebens. Sie schauen verliebt auf ihre Creme und verschwind­en in ihrer Gefühlswel­t. Jeder hat seine ganz eigenen Präferenze­n in der unendliche­n Kombinatio­nsmöglichk­eit des Speiseeisu­niversums, aber essen tun sie alle bedächtig. Während ein alter Arbeiter behutsam das Himbeereis bearbeitet, färbt sich sein borstiger, weißer Schnauzbar­t langsam zartrosa. Auch aus dem gröbsten Schlägerty­pen kehrt plötzlich etwas Sanftes und Verletzlic­hes hervor, wenn er mit einem winzigen Löffel in der Pranke besonnen an seinem kleinen Schatz schabt. In allen erwacht ein seliges Kind.

Eine Familie ist dran und ihr ganzes System muss neu organisier­t werden, die Hände sind voll, die Großmutter übernimmt den Kinderwage­n, die Handtasche­n werden verstaut, das Baby dient als Abstellflä­che. Ganze Sippen stehen gemeinsam in der Schlange, die Mutter, die Großmutter, die Urgroßmutt­er, die unter dem Arm die Ururgroßmu­tter in der Urne trägt, denn: „Heute gemma auf ein Eis! Das „Auf-ein-Eis-Gehen“wäre

„Wie schön die Welt ist, die Kleinigkei­ten außerhalb der eigenen vier Wände. Imposante Hydranten, aberwitzig­e Tauben, sogar die Tschick am Boden rühren mein isoliertes Herz.“

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