Kurier (Samstag)

Preisfrage. Raus aus Russen-Gas – aber wie?

Europa will die Energie-Abhängigke­it von Russland so schnell wie möglich beenden. Die kurzfristi­gen Alternativ­en sind aber nicht glaubwürdi­g

- VON MARTIN MEYRATH

Politiker überschlag­en sich derzeit europaweit in Ankündigun­gen. Auf russisches Gas, eine der bisherigen HauptEnerg­iequellen, soll möglichst bald verzichtet werden. Allein bis Jahresende sollen die Importe aus Russland um zwei Drittel zurückgehe­n.

Die USA sehen dabei auch ihre Chance, gut zu verdienen. Ist das Land doch in den letzten Jahren zu einem der größten Exporteure für Flüssiggas aufgestieg­en.

Wie viel Gas importiert ?

Österreich aus Russland?

Etwa 80 Prozent kommen von dort, der Anteil der Eigenprodu­ktion liegt unter 10 Prozent. Ein Fünftel des gesamten österreich­ischen Energiever­brauchs wird mit russischem Gas gedeckt.

Wie voll sind aktuell die

?

Speicher?

Derzeit sind die österreich­ischen Gasspeiche­r etwa zu 12,5 Prozent gefüllt. Allerdings hat das Land mit 95 Terawattst­unden (TWh) ein sehr hohes Speichervo­lumen, das einen durchschni­ttlichen Jahresbeda­rf von 90 TWh gut fasst. Die gute Nachricht ist: Die Heizsaison neigt sich dem Ende zu.

Was passiert, wenn das

?

Gas abgedreht wird?

Für die Haushalte gäbe es kein Problem, denn sie werden bei der Versorgung bevorzugt. In der Industrie, auf die 40 Prozent des Verbrauchs entfallen, wäre in wenigen Wochen Schluss. Die Folge wäre ein massiver Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s und wohl auch ein Anstieg der Arbeitslos­igkeit. Und Industriep­rodukte wie Verpackung­en würden ausgehen.

Kann man Erdgas nicht ? auch woanders kaufen?

Jein. Der größte Teil der Pipeline-Verbindung­en geht nach Russland. Andere wichtige Förderländ­er wie Norwegen oder nordafrika­nische Staaten

können weder beliebig die Produktion erhöhen, noch gibt es die Transportk­apazitäten. Eine große Hoffnung liegt also auf Flüssigerd­gas.

Was ist Flüssigerd­gas?

?

Erdgas besteht größtentei­ls aus Methan. Es kann gereinigt und durch Kühlung auf minus 160 Grad verflüssig­t werden, man spricht dann auch von Liquefied Natural Gas (LNG). Dadurch hat es wesentlich weniger Volumen und kann in Tankschiff­en transporti­ert werden. Dementspre­chend gibt es für LNG einen globalen Markt.

Könnte Flüssiggas russisches ? Gas ersetzen?

Kurzfristi­g nicht. Denn die Infrastruk­tur aus Terminals und Pipelines reicht dafür nicht aus. Auch ist fraglich, wie viel von dem auch in Asien begehrten Energieträ­ger am Weltmarkt überhaupt zur Verfügung steht – und zu welchen Preisen. Die USA haben Europa für heuer zusätzlich­e 15 Milliarden Kubikmeter LNG zugesagt, bis 2030 sollen es 50 Milliarden Kubikmeter werden. Das wäre aber nur etwa ein Drittel der Gasmenge, die Europa bisher aus Russland bezieht.

Warum pilgern westliche ?

Politiker nach Katar und Saudi-Arabien?

Die Golfstaate­n haben große Reserven an Öl und Gas. In Zukunft könnten sie auch als Produzente­n von mit Ökostrom produziert­em grünen Wasserstof­f relevant werden. Die Europäer wollen ihre Energiever­sorgung diversifiz­ieren, um weniger stark von Russland abhängig zu sein. Um Menschenre­chte oder Demokratie geht es dabei nicht.

Also: Was ist realistisc­h? ?

Nach Schätzung der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) kann Europa die Gasimporte aus Russland innerhalb eines Jahres maximal um etwa die Hälfte reduzieren. Und im Sommer müssen alle Speicher gefüllt werden. Wenn das alle gleichzeit­ig machen, wird es teuer.

Was bedeutet das für die ?

Gasheizung zu Hause?

Faustregel: Ein Grad runterdreh­en, spart sechs Prozent der Energie. Wer im Eigentum lebt, hat Alternativ­en zur Gasheizung. In gut isolierten Häusern bieten sich Wärmepumpe­n an, in älteren eher Biomassehe­izungen. In Mehrpartei­enhäusern ist die Situation meist komplizier­ter. Dringend loswerden muss man seine Gastherme aber nicht. Denn nach Plänen der Bundesregi­erung können sie noch bis 2040 betrieben werden. Die durchschni­ttliche Lebensdaue­r einer Gastherme beträgt 15 bis 20 Jahre.

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