Kurier (Samstag)

Putin-Push für Orbán

Inflation, Konflikt mit der EU, Krieg vor der Haustür – Sonntag wird gewählt

- VON CAROLINE FERSTL

Zwölf Jahre. So lange ist Viktor Orbán bereits durchgehen­d Ministerpr­äsident von Ungarn. Und so lange würde es im Falle eines Sieges der geeinten Opposition bei den Wahlen am Sonntag dauern, bis alle von Orbán an die Spitze staatliche­r Institutio­nen, Medien und Organisati­onen gesetzten Verbündete­n nicht mehr an der Macht wären, schätzen Politologe­n. Und die Opposition ohne Behinderun­g regierungs­fähig wäre.

„Wir sind seit 30 Jahren hier, und wir werden auch in den nächsten 30 Jahren hier sein“, hatte Orbán bereits auf dem Fidesz-Parteitag 2015 angekündig­t. Orbán hat seine Ankündigun­g wahr gemacht, hat seine Macht und seinen Einfluss im Falle einer Abwahl einzementi­ert. Doch glaubt man den aktuellen Umfragen, sieht es so aus, als wäre das gar nicht nötig gewesen: Der Krieg in der UkDoch raine hat Orbán in die Hände gespielt. In den Umfragen liegt Fidesz je nach Meinungsfo­rschungsin­stitut bis zu acht Prozentpun­kte vor dem Opposition­sbündnis und dessen Spitzenkan­didaten Péter Márki-Zay, vor Kriegsausb­ruch war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Ungarn vor der Krise?

„In Krisenzeit­en sammelt sich das Volk hinter den Regierende­n, meidet radikale Regierungs­wechsel“, so die allgemeine Begründung. Orbán scheint dabei – zumindest innenpolit­isch – seine Nähe zum Kreml nicht zu schaden. „Außenpolit­ik spielt in der Wahlentsch­eidung der Ungarn keine Rolle“, meint der Politikwis­senschaftl­er András Bozóki von der von Orbán aus Ungarn vertrieben­en Central European University: „Die Menschen fängt Orbán mit persönlich­em, materielle­m Wohlstand.“Etwa durch Preisdecke­lungen auf alltäglich­e Güter und die Einführung einer 13. Rente.

diese Zuckerl fallen nach der Wahl weg. Das könnte Ungarn angesichts der steigenden Inflation, der aus Angst vor Korruption von der EU zurückgeha­ltenen Gelder und der im Wahlkampf geleerten Staatskass­e vor große Herausford­erungen stellen: Nicht wenige Ökonomen befürchten eine Wirtschaft­skrise. Und die träfe Ungarn, wo die Kluft zwischen Arm und Reich sich seit Orbáns Amtsantrit­t vergrößert hat, schwer.

„Verliert Orbán, wird er der Opposition die Schuld an der Krise geben und könnte bei der nächsten Wahl gestärkt zurückkomm­en. Bleibt Orbán an der Macht, ist es durchaus vorstellba­r, dass er sich – zumindest kurzfristi­g – wieder der EU zuwendet, um die Krise abzufedern“, meint Bozóki. Eine andere Option habe Orbán nicht: Putin hat im Krieg sein Gesicht verloren, und auch das einst so enge Visegrad-Bündnis (Polen, Tschechien, Slowakei) scheint zu bröckeln.

Dennoch ist die Wahl noch nicht entschiede­n: Ein wesentlich­er Teil der Wahlberech­tigten (bis zu 15 Prozent) ist noch unschlüssi­g. Und Unterstütz­er des Opposition­sbündnisse­s erinnern immer nur allzu gerne an die Bürgermeis­terwahl in Budapest 2019: In den Umfragen lag der Fidesz-Amtsinhabe­r István Tarlós vorne, gewonnen hat der liberale grüne Bürgermeis­ter Gergely Karácsony.

 ?? ?? Orbán (li.) gab sich auf den letzten Metern des Wahlkampfs überrasche­nd volksnah. Opposition will mit Márki-Zay (re.) gewinnen
Orbán (li.) gab sich auf den letzten Metern des Wahlkampfs überrasche­nd volksnah. Opposition will mit Márki-Zay (re.) gewinnen
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