Kurier (Samstag)

Die Justiz und ihre dauernden Zurufe

Die Justiz wird von allen Seiten zu sehr für politische Zwecke benutzt

- VON IDA METZGER

Es war eine Woche, die deutlich zeigte, dass es in der Justiz immer noch erhebliche­s Konfliktpo­tenzial gibt und dass die Meinungen der Zurufer unterschie­dlicher nicht sein könnten. Beides schadet der unabhängig­en Justiz.

Der Strafantra­g der Staatsanwa­ltschaft gegen Johann Fuchs, Leiter der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien, wegen Amtsgeheim­nisverrats und Falschauss­age vor dem U-Ausschuss wird als starkes Zeichen der Unabhängig­keit gewertet.

Doch dann – fast zeitgleich – verkündet ein unabhängig­er Richter dreieinhal­b Jahre Haft wegen Kokainhand­els für den Ibiza-Detektiv Julian Hessenthal­er. Und gerade jene, die mehr Unabhängig­keit vor allem für die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft lautstark fordern, steigen plötzlich auf die Barrikaden. Angefeuert wird die Kritik an der Staatsanwa­ltschaft und dem Richter ebenfalls von jenen, die sonst jede Kritik an der Justiz als Gefahr für den Rechtsstaa­t sehen.

Die Haftstrafe für Hessenthal­er wird von manchen Beobachter­n als Polit-Urteil bezeichnet. Dass ein Höchstgeri­cht das Urteil noch überprüft, wurde ausgeblend­et. Auch das System des Schöffenge­richts wird infrage gestellt, wo nur „Laienricht­er“über Schuld oder Unschuld mitentsche­iden. Besitzen Schöffen die nötige Kompetenz für den Sachverhal­t ?

Über eine Reform von Schöffense­naten kann und sollte man diskutiere­n. Doch warum tauchen diese Fragen ausgerechn­et beim Hessenthal­er-Prozess auf, und nicht bei komplexen Wirtschaft­sverfahren – wie etwa der Hypo Alpe Adria?

Vielleicht, weil Hessenthal­er die türkis-blaue Koalition sprengte?

In diesen Wirtschaft­scausen ist tatsächlic­h ein umfassende­s Wirtschaft­s-, Aktienund Finanzwiss­en notwendig. Nie wurde bei den Schuldsprü­chen mit hohen Haftstrafe­n für Bankenmana­ger und Ex-Politiker hinterfrag­t, ob ein Laie einen Vorzugsakt­ien-Deal der Hypo durchblick­t.

Ähnlich ambivalent wird derzeit auch die Unabhängig­keit der Justiz diskutiert. Außer Frage: die Unabhängig­keit muss unantastba­r sein. Eckart Ratz, ehemaliger Präsident des Obersten Gerichtsho­fs, hat sich im UAusschuss diesbezügl­ich besorgt gezeigt.

„Nicht rechtskonf­orm“

Zwar ortet Ratz keine „dunklen Machenscha­ften“in der Justiz, aber Kompetenzv­erschiebun­gen. „Es gibt leise, gefährlich­e Übergänge, die keiner checkt“, so Ratz. Was er damit meint: Die Staatsanwä­lte holen sich immer Befugnisse, die ihnen gesetzlich nicht zustehen. Es gibt bald einen „Staat im Staat“, so seine Befürchtun­g. Tatsache ist, so Ratz, das System der „Checks und Balances“im Rechtsstaa­t wird mit dieser Entwicklun­g auf den Kopf gestellt. „Was im Moment passiert, ist nicht rechtskonf­orm“, befindet Ratz. Denn: Nur die Richter seien in der „Ausübung ihres Amtes unabhängig“, nicht aber die Staatsanwä­lte. Sie werden durch die unabhängig­en Gerichte kontrollie­rt. Staatsanwä­lte können zwar selbst ermitteln, aber bei Sicherstel­lungen und Chatauswer­tungen dürfen sie sich nur beteiligen.

Justizmini­sterin Alma Zadić kündigt diese Woche im U-Ausschuss ein Reformprog­ramm „Justiz 2030“an. Das greift viel zu spät. Es braucht schnelle Reformen, damit die Balance wieder funktionie­rt.

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Je nachdem, wie die politische Ausrichtun­g ist, werden derzeit Urteile oder Ermittlung­en mit Jubel oder Kritik bedacht

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