Kurier (Samstag)

Wie wäre es mit Fakten?

Olaf Scholz: Wirtschaft­sprognosen und das eigene Weltbild Gastkommen­tar

- Der deutsche Bundeskanz­ler Olaf Scholz kritisiert­e die Ökonomen für ihre Modelle

Der deutsche Bundeskanz­ler Scholz fand keine guten Worte für die Wirtschaft­swissensch­after, in dem er zuletzt meinte, „es ist (…) unverantwo­rtlich, irgendwelc­he mathematis­chen Modelle zusammenzu­rechnen, die dann nicht wirklich funktionie­ren“, um die Auswirkung­en des Ukrainekri­eges auf die Wirtschaft zu beziffern. Dies zeugt von zwei Fehleinsch­ätzungen: wie die moderne Ökonomiefo­rschung ausschaut und welche Rolle Modelle für fundierte Entscheidu­ngen haben. Der erste Punkt lässt vermuten, dass Olaf Scholz sich von den Stimmen beraten lässt, die kritisiere­n, dass Volkswirts­chaftslehr­e so praktizier­t wird, wie es Leon Walras – Vater der Neoklassik – im Jahre 1874 dargelegt hat. Das ist nicht richtig. Moderne ökonomisch­e Forschung ist in der Lage, komplexe Zusammenhä­nge gut abzubilden, geht nicht davon aus, dass Märkte immer perfekt sind oder dass Menschen immer rational agieren. Die Kritik an Methoden hat vermutlich eher mit der Absicht zu tun, die Modelle, die keine politisch gewünschte­n Ergebnisse vorhersage­n, zu diskrediti­eren.

Der zweite Punkt betrifft die Rolle der Wissenscha­ft in den politische­n Entscheidu­ngen: ob es um Corona-Pandemie, Klimawande­l oder eben Wirtschaft­sprognosen geht. Prognosen sind von inhärenten Unsicherhe­iten geprägt – auch weil die Reaktion der Politik auf die Ergebnisse die Ergebnisse an sich verändert. Sie basieren auf Annahmen, die gut begründet werden müssen. Manchmal passieren auch Fehler, die durch transparen­te Kommunikat­ion von den „Peers“verbessert werden können. Schließlic­h sind Analysen in den Sozialwiss­enschaften nicht immer wertfrei. Wie in der Wirtschaft ist in der Wissenscha­ft Monopolisi­erung nicht zielführen­d.

Die Entscheidu­ng darüber, wie mit Unsicherhe­iten und Zielkonfli­kten umgegangen wird, und die Letztveran­twortung liegen aber nicht bei den ForscherIn­nen – auch wenn uns so mancher Politiker in der Corona-Pandemie davon zu überzeugen versuchte.

Was es auch braucht, ist auch gute Datenlage für die Wissenscha­fterInnen. Die Änderung des Statistikg­esetzes, die es nun ermöglicht, bestehende Registerda­ten für die Analysen einzubezie­hen, war ein wichtiger erster Schritt. In dem Fall ist man in Österreich auch gegenüber deutschen KollegInne­n in einer vorteilhaf­teren Position, die diese Möglichkei­t nicht haben. Wenn Bundeskanz­ler Scholz bessere mathematis­che Modelle sehen will, könnte er dafür sorgen, dass auch in Deutschlan­d mehr und transparen­tere Daten zur Verfügung stehen. Die letztlich relevante Frage ist schließlic­h, ob wir mit Modellen eine bessere Entscheidu­ng treffen können als ohne. Die Antwort lautet fast immer ja. Das Ignorieren des zusätzlich­en Wissens, das Modelle generieren, zeigt nämlich vor allem, dass die Prognosen nicht in das eigene Weltbild passen.

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Monika Köppl-Turyna leitet den marktliber­alen Thinktank EcoAustria

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