Kurier (Samstag)

Wie ein Vogel, der aus seinem Nest flüchtet Oskar Speck.

„Der Flussregen­pfeifer“über den langen Weg nach Australien

- P. PISA

Ein Nichtschwi­mmer, ab Mai 1932 sieben Jahre auf Flüssen und Meeren unterwegs, beginnend auf der Donau, zuletzt vor Australien, manchmal mit einem Hund an Bord – in einem Boot, das man faltet, damit man’s in die Bahn als Handgepäck mitnehmen kann:

Den Mann muss man sich näher anschauen.

Den hat man sich bisher nicht angeschaut?

Tobias Friedrich wunderte sich. Und schrieb „Der Flussregen­pfeifer“über Oskar Speck (1907–1995), der wie der Vogel ist, der „Diuu“macht und „Gigigi“. Darin besteht allerdings keine Ähnlichkei­t. Aber der ungesellig­e Flussregen­pfeifer ist ein Nestflücht­er, er fliegt Europa davon.

Vier Mal schrieb Friedrich den Roman, damit Specks Abenteuer nicht nach Geschriebe­nem klingen.

Zum Teil gelang das. Wegen des Kuddelmudd­els am Anfang startet man mit Verspätung von Ulm auf der Donau in die weite Welt ... in der Oskar Speck des Öfteren mit einem Schwamm AUSÖSEN muss. (Wer kein Matrose ist, schaut ins Lexikon: ausösen = Wasser aus dem Boot schöpfen.) Zunächst will ein Gefangener seine Puppe zurückhabe­n, einem Kind wird der Lutscher weggenomme­n, es folgt ein Spruch von Mark Twain, und ein alter Nazi

Tobias Friedrich: „Der Flussregen­pfeifer“C. Bertelsman­n Verlag. 512 Seiten. 24,95 Euro

KURIER-Wertung: āāāάā prophezeit 1933: „Ihr werdet alle noch auf mein Klosett kommen. Wasser saufen!“Kuddelmudd­el eben.

Ausgetobt

Elektriker Oskar Speck hatte Schulden. Auf Zypern wollte er in einer Kupfermine arbeiten. In Ulm paddelte er los, mit wenig Proviant und kleinem Segel. Fahrten in zerlegbare­n Kajaks waren ein beliebter Freizeitsp­ort.

Man weiß nicht viel über den Eigenbrötl­er. Gerechtigk­eit war ihm wichtig. Den Sozialiste­n stand er nahe. Opportunis­tisch war er – wie man auf einem historisch­en Foto, vor dem Krieg aufgenomme­n, mit Hakenkreuz­fahne an der Bootsspitz­e sehen kann. Speck war auf deutsche Hilfe angewiesen.

Autor Tobias Friedrich fand im National Maritime Museum in Sydney einige Dokumente. Doch konnte er sich in seinem ersten Roman zur Genüge frei austoben.

Es gibt ein Wettrennen und erschossen­e Konkurrent­en. Es gibt vor allem eine Frau, die es nicht gab.

50.000 Kilometer legte Oskar Speck zurück, nach Syrien, den Iran, nach Burma ... in ein australisc­hes Kriegsgefa­ngenenlage­r.

Dennoch ist der Roman die meiste Zeit leider an Land, wo der Hamburger Vorträge hält, fast umgebracht wird, Malaria hat, sich verliebt – „Der Flussregen­pfeifer“ist gar nicht so abenteuerl­ich, er ist die Geschichte von zwei Menschen, die zusammen finden.

Ein Satz Specks ist überliefer­t: „Je weiter ich kam, desto weiter wollte ich.“Aber in Killcare/Australien blieb er bis zum Tod und lebte von Opalen, die er selbst geschliffe­n hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria