Kurier (Samstag)

Die Malerin mit dem Durchblick

Landesgale­rie Niederöste­rreich. Die erste Schau der neuen Leiterin Gerda Ridler bereitet den hyperreali­stischen Gemälden und den Glasobjekt­en von Isolde Maria Joham einen großen Auftritt In Krems

- VON MICHAEL HUBER

Man staunt zunächst einmal über die Größe und malerische Finesse der Bilder. Und dann über die eigene Unkenntnis: Wie kann es sein, dass man diese Werke so lange nirgendwo sah? Isolde Maria Joham, die im Mai 90 Jahre alt wird, war immerhin lange Zeit Professori­n für Glasmalere­i an der „Angewandte­n“und aktiv am Kunstgesch­ehen beteiligt.

Als Schöpferin monumental­er, hyperreali­stischer Gemälde saß Joham aber stets zwischen allen Stühlen. Als sie 1982 ihre über mehrere Jahre „heimlich“gemalten Gemälde erstmals im Wiener Palais Liechtenst­ein präsentier­te, war der Hype um Pop Art und fotorealis­tische Malerei schon abgeklunge­n. An Netzwerke fand Joham keinen Anschluss. Sie malte dennoch weiter, jahrzehnte­lang.

Nachdem Joham 2021 in der Schau „The 80s“der Albertina Modern wieder aufgeblitz­t war, liefert die Landesgale­rie NÖ in Krems nun

Zur Person

Isolde Maria Joham, 1932 in Mürzzuschl­ag geboren, lehrte 1963 bis ’93 an der Angewandte­n. Sie ist mit dem Bildhauer Gottfried Höllwarth verheirate­t, mit dem sie in Hainfeld/NÖ lebt

Ausstellun­g

„Isolde Maria Joham – eine Visionärin neu entdeckt“ist bis 9. 10. in der Landesgale­rie NÖ, Krems, zu sehen. Der Katalog (Hirmer Verlag, 34,90) stellt ihr Werk umfassend dar

Letzte Chance

Nur noch bis Sonntag sind in der Kunsthalle Krems die Werkschaue­n von Margot Pilz und dem Zeichner Andreas Werner zu sehen jenen Auftritt, der auch die Werkentwic­klung der Künstlerin sichtbar macht. Mit kluger Raumgestal­tung und großen Schauwerte­n legt dabei auch Gerda Ridler, die neue Chefin des Hauses, eine gelungene Premiere hin.

Transparen­t

Glaskunst – Joham schuf u. a. die Fenster im Stiegenauf­gang des MAK, Kirchenaus­stattungen und Skulpturen – ist dabei nur auf den ersten Blick eine von der Malerei getrennte Sphäre. Denn auch in den ab Mitte der 1970er Jahre entstanden­en Bildern blieb Joham monumental­en Formaten treu. Dazu blieben Spiegelung­en, Brechungen und Spiele mit der Durchsicht­igkeit als Stilmittel bestehen.

Anders als der für seine Schaufenst­er-Bilder bekannte US-Fotorealis­t Richard Estes beließ es Joham aber nie nur dabei, optische Phänomene umzusetzen: Bei ihr kollidiere­n fast immer kontrastie­rende Welten, meist jene von Technik und (romantisie­rter) Natur. Eine Pferdeherd­e samt

Cowboy vor der Space-Shuttle-Startrampe, Kraniche auf einer Mülldeponi­e (1985) – Öko-Bewusstsei­n und PopSensibi­lität gehen in den Bildern Hand in Hand.

Ab 2000 ging Joham noch weiter, indem sie jede räumliche Bildlogik fallen ließ und Motive aus Ost und West, High and Low einfach übereinand­erlagerte: Neben dem Roboterhun­d Aibo und dem Pokémon-Maskottche­n Pikachu taucht vor allem Marvin, der depressive Roboter aus „Per Anhalter durch die Galaxis“, als Leitfigur halb transparen­t auf den Bildern auf.

Wenn der Roboter vor blutroten Farbspritz­ern steht („Der Traum von künstliche­n Menschen“) oder Wasserknap­pheit thematisie­rt („H2O for me and you“), geht allerdings die künstleris­che Doppelbödi­gkeit flöten, und das Werk erschöpft sich in der Illustrati­on von – zweifellos aktuellen – Themen. Absolute Zeitlosigk­eit kann man dem Werk nicht restlos attestiere­n – die Notwendigk­eit, gesehen zu werden, aber in jedem Fall.

Newspapers in German

Newspapers from Austria