Kurier (Samstag)

FABELHAFTE welt

- Vea.kaiser@kurier.at

Vea Kaiser

eulich standen wir nach dem Babyschwim­men sehr lange an, um auszucheck­en. Mein Söhnchen war müde und hungrig. Er zog eine Schnute, öffnete sein kleines Goschi wie ein Vogelküken und ich merkte: Würde ich nicht umgehend handeln, würde er ganz Oberlaa seinen Unmut mitteilen. Ich nahm ihn hoch, schob sein Köpfchen unter meine Bluse und stillte stehend seinen Hunger, ihn mit rechts haltend und links den Kinderwage­n schiebend. Ein einander verliebt tätschelnd­es Pärchen beäugte mich kritisch. Es kam ihnen nicht in den Sinn, eine Mama mit Säugling vorzulasse­n, stattdesse­n sagte sie zu ihm: „Also DAS mach ich sicher nicht, wenn wir mal Kinder haben.“

Ich lachte. Wie oft hatten mein Mann und ich diesen Satz gesagt? Z. B. über das Hintensitz­en im Auto: Das mach ich sicher nicht, hatte ich, der hinten oft schlecht wird, gedacht. Einmal gingen wir mit Freunden spazieren, deren Tochter nur im Buggy schlief, wenn ihre Mutter anschob, ohne

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Nein Wort mit uns zu reden. Das mache ich sicher nicht, kommentier­te mein Mann. Und jedes Mal, wenn wir Familien mit übervollen Kinderwage­n sahen, die zu Stadtspazi­ergängen ausgerüste­t waren wie zu mehrtägige­n Reisen, schworen wir uns: Das machen wir sicher nicht.

Und dann wurden wir Eltern. Natürlich schleichen wir um unseren schlafende­n Sohn herum wie Katzen auf der Pirsch, natürlich steht am Beifahrers­itz der Hundekorb, weil ich hinten beim Butzi sitze, während der Kofferraum für jeden Großeltern­besuch angeräumt ist wie für einen längeren Urlaub. An der Thermenkas­se ließ ich das Pärchen in dem Glauben, dass das Leben mit Kindern so werde, wie man es sich vorstellt. Der Schock, dass dem nicht so ist, kommt früh genug. Dass Elternscha­ft die heilsame Einsicht darin ist, wie schön es ist, eigene Prinzipien zum Wohle anderer über Bord zu werfen, werden sie schon selbst entdecken.

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