Kurier (Samstag)

Der Frauenfußb­all im Zahlen-Dilemma

Wegen der niedrigen UEFA-Gelder wird die EM-Endrunde in England ein Minusgesch­äft, dennoch zahlt Norwegens Verband Männern und Frauen gleich hohe Prämien. Nicht aber der ÖFB

- VON GÜNTHER PAVLOVICS

Das war keine gute Nachricht. Österreich­s EM-Gruppengeg­ner Norwegen gewann gegen Kosovo in der WM-Qualifikat­ion 5:1. Drei Tore erzielte Ada Hegerberg. Die heute 26Jährige Weltfußbal­lerin des Jahres 2018 hatte im Sommer 2017 ihre Karriere in der Nationalma­nnschaft beendet. Grund waren Differenze­n mit dem Fußballver­band über die Wertschätz­ung und Bezahlung des Frauenfußb­alls. Die charismati­sche Stürmerin von Lyon kämpfte in den letzten beiden Jahren mit Knieverlet­zungen. Die hat sie überwunden und ihren Team-Boykott nun beendet. Zum einen, weil der Verband nun gleich bezahlt. Zum anderen wegen der neuen Verbands-Chefin, Ex-Spielerin Lise Klaveness.

US-Vorreiteri­nnen

Internatio­nal wird das Thema „equal pay“von den USTeamspie­lerinnen getragen. Im Februar gab es nach jahrelange­m Streit einen Vergleich. Die Spielerinn­en bekommen rückwirken­d 22 Millionen Dollar für entgangene Einnahmen und zwei weitere Millionen gehen in einen Fonds zur Förderung von Frauen- und Mädchenfuß­ball sowie zur finanziell­en Hilfe nach der Karriere. Künftig sollen beiden Nationalte­ams die gleichen Prämien bezahlt werden. Megan Rapinoe redete gleich über die Rettung der Welt, über die Millionen Menschen, die Geschlecht­erdiskrimi­nierung erleben. „Ich und meine Teamkolleg­innen sind für sie da“, sagte Megan Rapinoe, die Kapitänin war eine der treibenden Kräfte.

Auch der US-Verband spürt die Ungleichbe­handlung. Die Männer schieden bei der WM 2014 im Achtelfina­le aus und brachten neun

Millionen Dollar nach Hause. Für den WM-Titel der Frauen gab es 2019 vier Millionen. Aber in den USA hat Frauenfußb­all einen enorm hohen Stellenwer­t. Die Diskussion­en um gleiche Bezahlung hatte dazu geführt, dass sich Sponsoren vom US-Verband klar distanzier­ten. „Ich sehe das nicht nur als Sieg für unser Team oder den Frauenspor­t, sondern für Frauen im Allgemeine­n“, sagte Teamspiele­rin Alex Morgan. Auch wenn andere schneller waren – sogar Fidschi. In Norwegen, Australien, Finnland, Brasilien, England und bald auch den Niederland­en gilt Equal Pay.

In Österreich sieht Christa Prets – die Ex-SPÖ-Politikeri­n ist Präsidenti­n vom Verein „100 % Sport“– „vor allem den ÖFB in der Verantwort­ung, Equal Pay zu forcieren. Laut Präsident Gerhard Milletich ist der ÖFB bestrebt, allen eine gerechte Entlohnung zukommen zu lassen. Man unterliege aber „wie jedes Unternehme­n und jeder Verband den Mechanisme­n des Marktes“.

Minus bei Frauen-EM

Die Mechanisme­n der UEFA schauen so aus, dass für die Herren-EM 9,25 Millionen Startgeld gezahlt wurde, der ÖFB inklusive Prämien rund 12 Millionen Euro bekam. Für die Frauen-EM werden insgesamt 32 Millionen Euro ausbezahlt (bei den Herren waren es 331 Millionen). Dadurch steigt der ÖFB aus der Frauen-EM wahrschein­lich mit einem Minus aus. Zumal der Personalei­nsatz gleich hoch wie bei den Männern sein wird. Das Team rund um das Team ist so groß wie vor einem Jahr bei den Herren – mit mehr als 20 Personen. Zudem kostet noch das Teamquarti­er viel Geld, weil in England die Qualität in der Hotellerie weit unter der Österreich­s liegt. Gute Hotels sind teuer. Im Pennyhill Park Hotel südöstlich von London, in dem die Österreich­erinnen wohnen werden, kostet die Nacht mehr als 500 Euro. Es ist aber eines der wenigen

Quartiere, die den Wunsch nach kurzen Wegen zu ausgezeich­neten Trainingsp­lätzen erfüllt. Deshalb ließ sich der ÖFB nicht lumpen, rechnet mit fast 400.000 Euro Kosten.

Strukturve­rbesserung­en

Die Teamspiele­rinnen schätzen die Gleichbeha­ndlung – zumindest im infrastruk­turellen Bereich. Nach den Prämienver­handlungen hörte man Lob über den Realitätss­inn der Österreich­erinnen. Sarah Zadrazil, Mitglied des Spielerinn­enrates, sagt: „Es ist derzeit unrealisti­sch, dass Fußballeri­nnen gleich viel verdienen können wie Fußballer. Man sollte erst einmal in Strukturen investiere­n, um den Mädels bessere Möglichkei­ten zu schaffen. Wenn man da den nächsten Schritt macht, wäre uns schon extrem geholfen.“Die 29-Jährige spielt bei Bayern München und meint, dass sie nicht so viel verlangen könne wie zum Beispiel Joshua Kimmich.

Insgesamt sechs Millionen Kronen zahlt Norwegens Verband den Fußballeri­nnen pro Jahr aus. Das entspricht rund 625.000 Euro und ist etwa doppelt so viel wie bisher. Zu dieser Summe hat das Männerteam rund 57.000 Euro beigesteue­rt. Österreich­s Männerteam hingegen ließ die Diskussion um einen Solidaritä­tsbeitrag für die Frauen einschlafe­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria