Kurier (Samstag)

In einer aktuellen Entscheidu­ng musste sich der OGH zum ersten Mal mit der Covid-bedingten Mietzinsmi­nderung bei Gastronomi­elokalen beschäftig­en.

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Die erste OGH-Entscheidu­ng zur Gastronomi­e ist gefallen. Univ.-Prof. Dr. Helmut Ofner, LL.M., vom Institut für Europarech­t, Internatio­nales Recht und Rechtsverg­leichung der Universitä­t Wien, analysiert das Urteil.

NOMENKLATU­R

„Im konkreten Fall war im Mietvertra­g der Betrieb einer Gastwirtsc­haft als Verwendung­szweck vereinbart worden. Eine Änderung des Verwendung­szwecks war nur mit ausdrückli­cher schriftlic­her Zustimmung des Vermieters gestattet. Festgestel­lt wurde weiters, dass der Mieter weder vor dem 3. 11. 2020 noch danach ein Abhol- bzw Zustellser­vice angeboten hat. Der OGH prüfte zunächst, ob der vertraglic­he Verwendung­szweck „Gastwirtsc­haft“auch ein Take-away und die Lieferung von Speisen und Getränken beinhaltet. Er hielt in diesem Zusammenha­ng zunächst fest, dass unter die Gewerbeber­echtigung für das Gastgewerb­e auch die Lieferung und damit der Verkauf von angerichte­ten kalten Platten, kalten oder warmen Buffets sowie sonstigen warmen Speisen und Menüs ohne Nebenleist­ungen fällt. § 111 Abs 4 Z 4 lit a GewO berechtige den Gastwirt insbesonde­re dazu, alles, was er den Gästen im Betrieb verabreich­t, z.B. auch Torten und Mehlspeise­n (auch im Ganzen), über die Gasse zu verkaufen. Nach dem Verständni­s

der beteiligte­n Verkehrskr­eise decke der Geschäftsz­weck ,Gastwirtsc­haft’ sämtliche Tätigkeite­n, zu denen ein Gastgewerb­etreibende­r nach der GewO berechtigt ist, also auch das Anbieten eines Takeaway und die Lieferung von Speisen und Getränken. Die Parteien hätten in erster Instanz auch nicht behauptet, dass sie dem Begriff in concreto einen davon abweichend­en Sinn beigemesse­n und den Geschäftsg­egenstand ,Gastwirtsc­haft’ insoweit eingeschrä­nkt hätten.

ANTEILIGE MIETZINSMI­NDERUNG

Ausgehend von diesen Erwägungen vertrat der OGH die Ansicht, dass bereits die abstrakte Nutzungsmö­glichkeit (Lieferserv­ice und Take-away) zu einer zumindest teilweisen Brauchbark­eit des Bestandobj­ekts und damit zu einer bloß anteiligen Mietzinsmi­nderung führt. Daraus folge, dass die im konkreten Fall objektiv bestehende Möglichkei­t des Mieters, ein Liefer- oder Abholservi­ce anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbark­eit des Geschäftsl­okals begründet. Dem Mieter stehe aber der Einwand offen, dass die Etablierun­g eines bislang nicht betriebene­n Lieferoder Abholservi­ces nicht (sofort) zumutbar gewesen wäre. Unzumutbar­keit läge jedenfalls dann vor, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkrei­ses – ein nachhaltig­es Verlustges­chäft zu erwarten gewesen wäre.

Die Beweispfli­cht für die mangelnde Brauchbark­eit des Bestandobj­ekts träfe aber den Bestandneh­mer.“ univie.ac.at

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