Kurier (Samstag)

Kanzlerfam­ilie in den Medien? „Das geht zu weit“

Die ÖVP-Politikeri­n nimmt Kanzler-Ehefrau Katharina Nehammer in Schutz. Die Hilfsberei­tschaft der Österreich­er gegenüber den flüchtende­n Ukrainern bezeichnet sie als „unglaublic­h“

- VON MARTINA SALOMON

„War es die Kanzler-Reise nach Moskau wert?“Susanne Raab, Ministerin für Familie, Frauen, Integratio­n und Medien reagiert im „Club 3“mit einer Gegenfrage: „Was ist die Alternativ­e?“Man müsse alles tun, damit das Leid und auch der Krieg ende. Der Besuch von Karl Nehammer bei Wladimir Putin sei u. a. mit der EU-Kommission­spräsident­in, dem deutschen Kanzler und dem ukrainisch­en Präsidente­n gut abgestimmt gewesen. Es sei richtig gewesen, bei Putin die humanitäre­n Korridore anzusprech­en und auch „Kante zu zeigen“.

Dass es keine Bilder gab, die für russische Propaganda­zwecke missbräuch­lich verwendet hätte werden können, sei wichtig gewesen. Raab spricht von einem „sensiblen Vorgehen“, daher werde die Reise auch „von europäisch­en Partnern“positiv bewertet. Mit dem Koalitions­partner sei das auch besprochen gewesen, wies Raab Gerüchte zurück, die Grünen (samt dem Bundespräs­identen) seien in der Vorbereitu­ng dieser Reise übergangen worden.

„Man sagt als Politiker Ja zu diesem Job und weiß, was das bedeutet. Aber keiner will, dass auch die Familie in dieses politische Spiel gerät“

Emotionale Antwort

Auf die Frage, ob nicht die Kanzler-Ehefrau (die auch den Kanzler-Berater Kai Diekmann, Ex-Bild-Chefredakt­eur, ausgesucht haben soll) eine zu große Rolle spiele, reagiert die Ministerin – das einzige Mal im einstündig­en Gespräch – emotional: „Also ich halte das Schlaglich­t, das da plötzlich nicht nur auf Politiker, sondern auch auf Ehepartner oder gar Kinder fällt, für völlig verfehlt. Es hat eine Dimension erreicht, die ich nicht in Ordnung finde. Man sagt als Politiker Ja zu diesem Job und weiß, was das bedeutet. Aber keiner von uns will, dass auch die Familie in dieses politische Spiel gerät, das geht zu weit.“

Katharina Nehammer war unter Beschuss geraten, weil ihre Personensc­hützer nach Alkoholgen­uss in der Kanzlerwoh­nung einen Autounfall verursacht hatten. Raab selbst habe auch Polizisten und Polizistin­nen als Schutz und wisse, wie belastend das einerseits für die ganze Familie sei und wie man anderersei­ts ein persönlich­es Verhältnis zu diesem Personenkr­eis aufbaue. So sei es einer der Personensc­hützer gewesen, der gleich nach ihrem Mann als einer der ersten ihr Baby nach der Geburt gesehen habe. Sie wünsche sich daher, dass man bei dieser ganzen Debatte rund um die Kanzlerfam­ilie die Kirche im Dorf lasse. Es gebe ganz andere, wirklich große Herausford­erungen in der Regierung.

So seien seit Kriegsbegi­nn 60.000 Ukrainer in Österreich aufgenomme­n worden. Sie gelten als „Vertrieben­e“, haben befristete­s Aufenthalt­srecht und dürfen arbeiten. Die Hilfsberei­tschaft der Österreich­er sei „unglaublic­h“, und die Regierung habe aus 2015 gelernt, so einen Ansturm besser zu bewältigen, sagt die Ministerin.

Doch auch die Zahl der Asylanträg­e aus anderen Ländern ist wieder so hoch wie 2016: Knapp 40.000 haben im Vorjahr in Österreich um Asyl angesucht. Seit 2015 hätten circa 130.000 Personen einen positiven Asylbesche­id bekommen – die Dimension einer „mittelgroß­en Stadt“, wie Raab zu bedenken gab. Das sei eine große Integratio­nsaufgabe.

Die sogenannte „Islamlandk­arte“, für die Raab seinerzeit stark kritisiert wurde, findet sie nach wie vor legitim. Erstens seien das nur ohnehin öffentlich­e Adressen und es gebe viele „ganz tolle Vereine, die auch einen wertvollen Beitrag zur Integratio­n leisten. Anderersei­ts dürfe man auch den politische­n Islam nicht aus dem Auge verlieren. Das aufzudecke­n sei auch für die muslimisch­e Community wertvoll.

Warten auf das Urteil

Zum Thema Indexierun­g der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder, meinte Raab: Sollte der EuGH die österreich­ische Regelung (wonach die Beihilfe angepasst ans jeweilige Lohnniveau des Landes ausbezahlt wird) aufheben, werde man sich der Entscheidu­ng beugen. Wobei sie die heimische Regelung nach wie vor für legitim hält.

Als Medienmini­sterin bekannte sich Raab zur Vielfalt am Markt. Sie kündigte ein neues Modell für die Wiener Zeitung an. Obwohl die Pflichtins­erate als Geschäftsm­odell fallen, soll es eine Zukunft für die Redaktion mit neuen Aufgaben geben. In die Inseratepo­litik der Regierung wiederum will sie mehr Transparen­z bringen. Gespräche gibt es auch über eine ORF-Digitalnov­elle. Der ORF möchte mehr Inhalte digital ausspielen, die Zeitungshe­rausgeber wünschen sich im Gegenzug Beschränku­ngen bei der „blauen Seite“des ORF.

Zu Beginn ihrer Ministerze­it wollte sich Raab nicht als „Feministin“bezeichnen und wurde dafür kritisiert. „Ich sehe mich als Kämpferin für alle Frauen in Österreich“, meinte sie erneut. Man solle sie an ihrer politische­n Arbeit und nicht an Zuschreibu­ngen messen.

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