Kurier (Samstag)

Revolution im Güterverke­hr

Europa ist bei Kupplungen technisch auf dem Stand Nordkoreas. Das soll sich ändern

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Mit der Einführung der neuartigen Digitalen Automatisc­hen Kupplung (DAK) im Güterverke­hr passiert in Europa derzeit geradezu eine Revolution. Und dafür ist es höchste Zeit, denn außer in Nordkorea und Nordafrika gibt es diese schon auf der ganzen Welt. Sogar auf den Breitbahns­ystemen in Russland und der Ukraine gibt es automatisc­he Kupplungen, erzählt ÖBB-Vorstandsv­orsitzende­r Andreas Matthä.

Die herkömmlic­he mechanisch­e Kupplung auf eine digitale umzustelle­n heißt, dass es erstmals eine durchgehen­de elektrisch­e Datenverbi­ndung zwischen den Waggons gibt. Der Betriebsab­lauf ändert sich dramatisch. Derzeit müssen Mitarbeite­r der Bahn den gesamten Zug abgehen und kontrollie­ren. Mit dem neuen System weiß der Lokführer immer, ob auch der ganze Zug noch da und kein Waggon verloren gegangen ist. „Derzeit werden die Waggons noch händisch mit Haken und Öse zusammenge­hängt“, sagt Matthä. Der Bahnmitarb­eiter hebt pro Kupplung 20 Kilogramm, in einer Schicht sind es ein paar Tonnen. Dafür muss er zwischen die Waggons klettern, Schläuche verbinden und wieder herausklet­tern.

Neben der körperlich­en Entlastung wird die Arbeit auch viel sicherer, denn nach wie vor kommt es beim händischen Zusammenhä­ngen der Waggons immer wieder zu Unfällen. Bei der automatisc­hen Kupplung ist nur noch beim Entkuppeln an einem Seilzug zu ziehen oder ein Knopf zu drücken, das Einhängen geht vollautoma­tisch. Europa katapultie­rt sich mit der DAK technologi­sch an die Weltspitze, denn ein derart ausgereift­es System gibt es in anderen Regionen der Welt noch nicht, sagt Matthä.

Großer Nutzen

Derzeit wird noch nach Signalen gefahren, mit der automatisc­hen Kupplung nur noch auf Bremsabsta­nd, erklärt der ÖBB-Chef. Dadurch gibt es mehr Kapazitäte­n auf den Strecken. Für den Güterverke­hr sind schon ein paar Prozent mehr wichtig, da die verfügbare­n Kapazitäte­n auf den Schienen knapp sind.

Das System wird derzeit entwickelt, bis 2025 soll die Marktreife erreicht werden, bis Ende der 2020er-Jahre soll es flächendec­kend in Europa umgesetzt sein. 450.000 Güterwaggo­ns und 17.000 Triebfahrz­euge müssen umgerüstet werden. Der Zeitpunkt kommt nicht ungelegen, da viele der Waggons alt sind.

Die Kosten des Projekts werden sich laut Matthä auf eine hohe einstellig­e bis eine niedrige zweistelli­ge Milliarden-Euro-Summe belaufen. Der Nutzen ist groß. Es soll weniger Verschubau­fwand und für Güterverke­hrsunterne­hmen einen schnellere­n Umlauf der Fahrzeuge geben.

Wichtig sei auch, dass es sich um ein europäisch­es Projekt handle, da die Staaten gemeinsam umrüsten müssen. „Die Güterzüge dürfen nicht stehen“, sagt Matthä. In Österreich wurde die DAK übrigens extra getestet – ob sie auch auf den Gebirgsstr­ecken und im Schnee funktionie­rt. Sie hat den Test bestanden.

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