Revolution im Güterverkehr
Europa ist bei Kupplungen technisch auf dem Stand Nordkoreas. Das soll sich ändern
Mit der Einführung der neuartigen Digitalen Automatischen Kupplung (DAK) im Güterverkehr passiert in Europa derzeit geradezu eine Revolution. Und dafür ist es höchste Zeit, denn außer in Nordkorea und Nordafrika gibt es diese schon auf der ganzen Welt. Sogar auf den Breitbahnsystemen in Russland und der Ukraine gibt es automatische Kupplungen, erzählt ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä.
Die herkömmliche mechanische Kupplung auf eine digitale umzustellen heißt, dass es erstmals eine durchgehende elektrische Datenverbindung zwischen den Waggons gibt. Der Betriebsablauf ändert sich dramatisch. Derzeit müssen Mitarbeiter der Bahn den gesamten Zug abgehen und kontrollieren. Mit dem neuen System weiß der Lokführer immer, ob auch der ganze Zug noch da und kein Waggon verloren gegangen ist. „Derzeit werden die Waggons noch händisch mit Haken und Öse zusammengehängt“, sagt Matthä. Der Bahnmitarbeiter hebt pro Kupplung 20 Kilogramm, in einer Schicht sind es ein paar Tonnen. Dafür muss er zwischen die Waggons klettern, Schläuche verbinden und wieder herausklettern.
Neben der körperlichen Entlastung wird die Arbeit auch viel sicherer, denn nach wie vor kommt es beim händischen Zusammenhängen der Waggons immer wieder zu Unfällen. Bei der automatischen Kupplung ist nur noch beim Entkuppeln an einem Seilzug zu ziehen oder ein Knopf zu drücken, das Einhängen geht vollautomatisch. Europa katapultiert sich mit der DAK technologisch an die Weltspitze, denn ein derart ausgereiftes System gibt es in anderen Regionen der Welt noch nicht, sagt Matthä.
Großer Nutzen
Derzeit wird noch nach Signalen gefahren, mit der automatischen Kupplung nur noch auf Bremsabstand, erklärt der ÖBB-Chef. Dadurch gibt es mehr Kapazitäten auf den Strecken. Für den Güterverkehr sind schon ein paar Prozent mehr wichtig, da die verfügbaren Kapazitäten auf den Schienen knapp sind.
Das System wird derzeit entwickelt, bis 2025 soll die Marktreife erreicht werden, bis Ende der 2020er-Jahre soll es flächendeckend in Europa umgesetzt sein. 450.000 Güterwaggons und 17.000 Triebfahrzeuge müssen umgerüstet werden. Der Zeitpunkt kommt nicht ungelegen, da viele der Waggons alt sind.
Die Kosten des Projekts werden sich laut Matthä auf eine hohe einstellige bis eine niedrige zweistellige Milliarden-Euro-Summe belaufen. Der Nutzen ist groß. Es soll weniger Verschubaufwand und für Güterverkehrsunternehmen einen schnelleren Umlauf der Fahrzeuge geben.
Wichtig sei auch, dass es sich um ein europäisches Projekt handle, da die Staaten gemeinsam umrüsten müssen. „Die Güterzüge dürfen nicht stehen“, sagt Matthä. In Österreich wurde die DAK übrigens extra getestet – ob sie auch auf den Gebirgsstrecken und im Schnee funktioniert. Sie hat den Test bestanden.