Kurier (Samstag)

Schauspiel­er müssen hinter Lärmschutz­wand spielen

Stockerau. Stadt zahlt 100.000 Euro, obwohl es nur einen Anrainer betrifft

- VON MICHAELA HÖBERTH

Zwei Jahre lang konnte coronabedi­ngt am Platz vor der barocken Stadtpfarr­kirche nicht gespielt werden, heuer finden die Stockeraue­r Festspiele aber endlich wieder statt: „Der Floh im Ohr“, ein Klassiker von Georges Feydeau, steht am Programm.

Und die Stadt hat beschlosse­n, Geld in die Festspiele zu investiere­n: Am Donnerstag wurden im Gemeindera­t Aufträge für den Bau einer Lärmschutz­wand vergeben, die heuer erstmals zum Einsatz kommen soll.

Was aber verwundert: Rund um den Dr.-Karl-Renner-Platz, auf dem die Festspiele stattfinde­n, gibt es kaum noch Anrainer. Die umliegende­n Immobilien werden gewerblich genutzt, nur eine Familie wohnt in unmittelba­rer Nähe. Das bestätigt auch ÖVP-Finanzstad­trat Gerhard Dummer. Wozu also eine Investitio­n von rund 100.000 Euro? „Der Anlass für den Kauf war die Beeinspruc­hung des Anrainers“, gibt er unumwunden zu. Er hat die Stadt darauf hingewiese­n, dass die gesetzlich­en Lärm-Grenzwerte nicht eingehalte­n würden.

„Geplanter Kauf“

Dass die Politik hier auf Zuruf gehandelt hätte, verneint Dummer jedoch; erste Überlegung­en für eine Lärmschutz-Lösung hätte es längst gegeben. „Die Normen und gesetzlich­en Grenzwerte haben sich verändert. Wenn wir keinen entspreche­nden Lärmschutz schaffen, sind die Festspiele nicht mehr durchführb­ar“, konstatier­t Dummer. Die Aufführung­en werden im Stadtzentr­um vor Niederöste­rreichs höchstem Kirchturm gespielt, eine Location, die man nicht aufgeben möchte. Andere Spielorte wurden geprüft, hätten jedoch nicht mithalten können.

Dafür ist die Stadt auch bereit, Kompromiss­e einzugehen: Die Spieltage wurden auf vier Tage pro Woche reduziert, außerdem wird nur mehr bis 22 Uhr gespielt. Nun wird die neue Lärmschutz­wand mit Akustikpla­tten – an der höchsten Stelle acht Meter hoch – die Umgebung abschirmen.

Sorge bei Geschäften

Doch genau dieser Umstand bereitet den beiden Unternehme­rinnen am RennerPlat­z Sorgen: Die beiden Geschäftsf­rauen haben ein anwaltlich­es Schreiben an die Stadtgemei­nde gerichtet. Sie kritisiere­n, dass ihre Geschäftsl­okale durch die Lärmschutz­wand von den Kunden abgeschott­et werden und kein Licht mehr in die Läden dringt. Ein offenes Ohr hätte man bei der Politik aber nicht gefunden. „Das macht uns betroffen“, so Lucia Kirchner-Krämer. Das Angebot, die Lärmschutz­wand für Werbung zu nutzen, sei ein schwacher Trost.

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