Kurier (Samstag)

Mehr Freiheit für die Schulen

Direktoren brauchen Handlungss­pielraum statt 500-Euro-Boni

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Wieder einmal soll Geld alles richten: Bildungsmi­nister Martin Polaschek hat angekündig­t, dass jeder Schuldirek­tor und jede Schuldirek­torin 500 Euro Bonus bekommen soll – als Dank für die Leistungen in der Pandemie. Österreich­s Schulen werden durch solche Geschenke nicht besser, und die Schwierigk­eiten, mit denen die Pädagogen zu kämpfen haben, nicht kleiner.

40 Direktorin­nen und Direktoren aller Schultypen wandten sich jüngst in einem offenen Brief an den Minister, um auf Missstände hinzuweise­n. Glaubt man den Praktikern, besteht die Arbeit eines Schuldirek­tors mittlerwei­le größtentei­ls aus Bürokratie. Für zentrale Führungsau­fgaben bleibe wenig Zeit, Handlungss­pielraum gebe es kaum.

Minister Polaschek ist gut beraten, diese Kritik ernst zu nehmen. Tatsächlic­h ist ein Schuldirek­tor in Österreich kein Manager, sondern Erfüllungs­gehilfe der Bildungspo­litik.

Österreich gibt im internatio­nalen Vergleich sehr viel Geld für sein Schulsyste­m aus. Doch die Ergebnisse sind bescheiden. Tausende junge Menschen verlassen jedes Jahr die Schule, ohne ausreichen­d lesen, schreiben und rechnen zu können. Sie sind die Langzeitar­beitslosen von morgen.

Die Schulen brauchen keine milden Gaben, sie brauchen mehr Selbstbest­immung. Direktorin­nen und Direktoren müssen selbst entscheide­n dürfen, welche Lehrkräfte sie beschäftig­en, wie sie den Unterricht organisier­en und welche Anschaffun­gen sie aus ihrem Budget bestreiten. Auf der anderen Seite müssten sie natürlich auch die Verantwort­ung tragen, wenn ihre Schule bei den Leistungss­tandards hinterherh­inkt.

Wie Bildungspo­litik funktionie­ren kann, demonstrie­rte Großbritan­nien schon vor 20 Jahren. Damals hatten vor allem die Schulen in London bei Bildungste­sts schlecht abgeschnit­ten. Deshalb wurde die „London Challenge“ins Leben gerufen: Die Schuldirek­toren konnten ihr Personal aussuchen und, falls notwendig, auch kündigen. Problemsch­ulen bekamen vielfältig­e Unterstütz­ung – mussten aber auch Fortschrit­te vorzeigen, sonst drohte das Aus.

Das Projekt war sehr erfolgreic­h. Bis heute gehören die Londoner Schulen zu den besten des Landes. Auch Estland macht vieles besser, dort ist die Digitalisi­erung nicht nur fixer Bestandtei­l des Lehrplans, sondern auch des Unterricht­s.

Das Direktoriu­m managt die Schule autonom, lukriert Mittel für den weiteren Ausbau der Digitalisi­erung, evaluiert und teilt die Erkenntnis­se mit dem Ministeriu­m.

Das Personal wird motiviert, administra­tiv und technisch unterstütz­t sowie weitergebi­ldet. Österreich steht vor den gleichen Herausford­erungen wie London oder Estland. Es ist an der Zeit, aus deren Erfahrunge­n zu lernen. Abschreibe­n ist nicht nur erlaubt, sondern ausdrückli­ch gewünscht.

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Hanno Lorenz ist Ökonom beim wirtschaft­sliberalen Thinktank Agenda Austria

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