Kurier (Samstag)

Ein neuer Stern, der alle Namen kennt

Karl Ove Knausgard versucht sich als Stephen King, bleibt aber der alte Besessene

- P.PISA

Der Morgenster­n. „Sterben“und „Lieben“und „Spielen“und „Leben“und „Träumen“und „Kämpfen“machten den Norweger weltberühm­t: 3.600 Seiten, in denen er zum Beispiel Silberfisc­hchen vor seinem Fuß beobachtet­e und überlegte, ob seine Lindeberg-Jeans zum Ted-BakerJacke­tt passen.

Nun folgen fast 900 Seiten, in denen Karl Ove Knausgard mehrere Norweger(innen) aus ihrem Leben erzählen lässt.

Freilich haben sie alle etwas von ihm mitbekomme­n, das Lehrerhaft­e z.B., und so erfährt man: Dicke Männer sollten nie ihr Hemd aus er Hose hängen lassen, das schaut gar nicht gut aus.

Knausgard gehöre zu den besten lebenden Schriftste­llern, steht in der New York Times: Weil bei ihm jede Kleinigkei­t so bedeutsam wird.

Stimmt genau. Seine Romane sind voller Nebensächl­ichkeiten. Als er etwa mitteilte, wie er auf dem Klo masturbier­t hatte – aber lassen wir das Essenziell­e dieser besonderen Literatur.

Blicken wir lieber hinauf, wo ein neuer Stern am Morgenhimm­el auftaucht. Sehr groß. Sehr hell. Symbolisie­rt er Jesus?

Der Stern ist, wie im Alten Testament, ein gefallener Engel, den man mit dem Teufel identifizi­eren kann.

Kunterbunt

„Der Morgenster­n“verbindet die Geschichte­n, und – wie man so sagt – alles steht unter keinem guten Stern. Karl Ove Knausgard macht ein bisschen auf Stephen King, der sich am wohlsten fühlt, wenn das Unfassbare ins Alltäglich­e einbricht.

Zwei Augusttage im südlichen Norwegen. „Kleine“Leben, die mit einer Veränderun­g der Welt konfrontie­rt werden.

Eine Priesterin will ihren Mann verlassen. Ein Baby fällt vom Wickeltisc­h. Die Frau eines Uniprofess­ors will mit seinem Freund schlafen. Ein Patient der Psychiatri­e läuft weg ... so kunterbunt ist es; und wie immer ist es mit Detailbese­ssenheit geschriebe­n, sodass Leser trotz drohender Gefahr nicht vor einem Kochrezept sicher sind.

Wie immer sucht ein Buch Knausgards seinen Sinn.

Gleich steigt jemand unabsichtl­ich auf eine junge Katze. Bald gibt es Morde, ein Bursch hat sich erschossen, ein Autounfall geschieht, schon wieder ist eine Katze tot (diesmal geköpft), Menschen geraten in Panik, und auf dem Pissoir drängt sich jemand vor.

 ?? ?? Karl Ove Knausgard: „Der Morgenster­n“Übersetzt von Paul Berf. Luchterhan­d Verlag. 896 Seiten. 28,95 Euro
KURIER-Wertung: āāāάā
Karl Ove Knausgard: „Der Morgenster­n“Übersetzt von Paul Berf. Luchterhan­d Verlag. 896 Seiten. 28,95 Euro KURIER-Wertung: āāāάā

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