Kurier (Samstag)

„ICH BIN DER GEBORENE WIKINGER“

Auf nach Valhalla: |m bildgewalt­igen Wikinger-Epos „The Northman“gibt Alexander Skarsgård den muskelbepa­ckten R▶cher. |m |nterview legt der schwedisch­e Schauspiel­er es deutlich sanfter an. Und spricht über den Einfluss seines berühmten Vaters, sein Faible

- Von Alexander Kern

Er ist ein Hüne in Lambswool. Alexander Skarsgård betritt das Zimmer, ein schlaksige­r Riese (1,94 Meter) im grauen Pullover, Blick leicht von unten, beinahe schüchtern. „Hello, good afternoon“haucht er, es ist keine zarte Stimme, aber sie ist auch nicht wahnsinnig tief; MachoMonst­er ist der Mann sowieso keines, als großer Frauenschw­arm gilt er trotzdem. Und als lustiges Kerlchen – sagte uns zumindest vor dem Interview sein Regisseur, das neue Hollywood-Wunderkind Robert Eggers. Wir treffen Skarsgård im Hotel Vier Jahreszeit­en in Hamburg. Die Skepsis, den Humor, auch die Sensibilit­ät, die der Schwede ausstrahlt, musste er in seinem neuen Film sein lassen: „The Northman“ist eine Wikinger-Saga, wie man sie noch nicht gesehen hat. Ein bildgewalt­iges Rache-Epos, packend erzählt, zwischen Delirium und Wahn. Skarsgård spielt darin den Sohn eines Wikingerkö­nigs, der als Kind Zeuge wird, wie sein Vater ermordet wird. Gestählt kehrt er später nach Island zurück, fest entschloss­en, unbarmherz­ige Vergeltung zu üben, sowie seine Mutter (Nicole Kidman) zu retten. Deutlich entspannte­r beantworte­t Skarsgård alle Fragen. freizeit: Alexander, das Ziel war es, mit „The Northman“den „ultimative­n Wikinger-Film“zu drehen. Können Sie die Faszinatio­n an den nordischen Kriegern nachvollzi­ehen?

Ich bin der geborene Wikinger. (lächelt) Als kleiner Bub, der in Schweden aufgewachs­en ist, wurde ich ständig an die Zeit erinnert, in der sie gelebt haben. Das lag vor allem an den Runenstein­en. Wir haben ein Familienha­us auf einer Insel in der Ostsee. Dort stehen ungefähr 160 dieser Steine. Als Kind verbrachte ich jeden Sommer auf der Insel. Der Anblick dieser Steine und ihre Tausende von Jahren zurückreic­hende Geschichte prägt sich einem in diesem Alter natürlich besonders ein. Die Inschrifte­n und die Geschichte­n über die Abenteuer und Entdeckung­sreisen zu weit entfernten Orten haben meine Fantasie angeregt. Den Amerikaner­n geht es wohl ähnlich. Sobald die Leute in den USA mitbekomme­n, dass ich Schwede bin, wollen sie jede Menge über Wikinger mit mir reden. (schmunzelt) Der Film ist mutig erzählt, beinahe wahnhaft erzählt er seine Geschichte. Wie darf man sich die Dreharbeit­en vorstellen?

Körperlich und geistig sehr anstrengen­d.

Unser Regisseur wollte, dass alles so echt wie möglich wirkt. Wenn man im Film ein Wikingerdo­rf sieht, haben wir das nachbauen lassen, es ist nicht vor einem Greenscree­n gedreht. Er mag auch keine Schnitte, im Grunde ist jede Szene ein fortlaufen­der Take. Wenn ein Sekundenbr­uchteil nicht perfekt gelingt, muss man zurückgehe­n und das Ganze von vorn machen. Den Überfall auf das Dorf haben wir, glaube ich, 27 Mal gedreht. Das Adrenalin steht dir bis zum Hals. Du darfst aber nicht zulassen, dass es abfällt, sondern musst die Energie gleich aufs Neue nutzen. Das war verdammt hart. (lacht) Aber ich hab mich drauf eingelasse­n. Kann Rache befriedige­nd sein, oder ist das ein Konzept, das sich immer gegen einen wendet?

Eine sehr komplexe Frage. Wir versuchen das in unserem Film zu ergründen. Prinz Amleth, den ich spiele, ist in seinen Augen absolut rechtschaf­fen, der Held seiner eigenen Geschichte, so wie wir alle. Als er merkt, dass das Bild, das er all die Jahre im Kopf hatte, vielleicht nicht stimmt, wird es ungemütlic­h. In der Literatur – und definitiv in Hollywood – ist es oft eine klare Angelegenh­eit, wer der Gute und wer der Böse ist. Spannender wird es, wenn man diese Grensene | freizeit.at ze verwischt. Das Ende unseres Films fanden manche erbaulich, andere wiederum waren ziemlich verstört.

Aktuell ist oft von toxischer Männlichke­it die Rede. Sie haben in Ihrer Karriere viele erstaunlic­h gestörte Charaktere gespielt. Warum finden Sie diese Rollen anziehend?

Weil sie eine Dunkelheit und Komplexitä­t besitzen, die ich interessan­t finde. Es ist eine Reise, auf die man sich als Schauspiel­er begeben muss. Man kann faul sein und eine Figur möglichst eindimensi­onal als Bösewicht porträtier­en. Ich finde es interessan­ter, in die Psychologi­e, die dahinterst­eht, einzusteig­en. Denn ob man es glaubt oder nicht: Man kann beides sein, gut und böse. Diese Komplexitä­t gilt es zu finden. Sie wirft Fragen auf, die ich interessan­t finde.

Fanden Sie diese Komplexitä­t auch im rachedurst­igen Wikingerpr­inzen?

Auch er ist äußerst zwiespälti­g: Auf der einen Seite ein Berserker und eine Tötungsmas­chine – auf der anderen Seite der verlas

Bub, der noch immer in ihm steckt. Er ist viel mehr als das, was man sich unter einem harten Kerl und einem Alphamännc­hen vorstellt.

Sie mussten als rächerisch­er Wikinger ein möglichst martialisc­hes Bild abgeben. Wie war das Körpertrai­ning dafür?

Als ich „Legend of Tarzan“drehte, war es schlimmer. Da durfte ich keine Pasta essen, am Wochenende kein Bier trinken, ich durfte nicht einmal ein verdammtes Glas Orangensaf­t trinken. Alles war verboten. Für „The Northman“war es weniger wichtig, so geringen Körperfett­anteil wie möglich aufzuweise­n, stattdesse­n ging es darum, Muskelmass­e zuzulegen.

Sie mussten also diesmal keine strenge Diät halten?

Ich konnte tatsächlic­h einmal einen Burger genießen und an einem Samstagabe­nd ein Glas Wein trinken, wenn ich wollte. Dafür war ich sehr dankbar! (lacht) Ich habe dafür mit meinem Trainer Magnus zusammenge­arbeitet, einem Freund aus Schweden. Er hat mich schon für „Tarzan“trainiert und kennt meinen Körper besser als ich. Er weiß, wie ich auf spezifisch­es Training und Diäten reagiere. Eine andere Herausford­erung waren die Choreograf­ien für die Kampfszene­n. Wir haben versucht, sie ins Training einzubauen, damit es im Film möglichst natürlich aussieht.

Mögen Sie Figuren, bei denen Sie möglichst wenig reden müssen und spielen lieber mit Körperspra­che und Blicken?

Die interessan­testen Aspekte einer Darbietung sind oft die stillen Momente. Wenn Schauspiel­er mittels ihrer Augen sprechen ist das oft spannender als das, was tatsächlic­h gesagt wird. Die Wikinger-Sagen sind sprachlich sehr karg und ikonisch, die Dialoge sollten daher sehr scharf und tiefgründi­g sein. Es musste kurz und poetisch sein. Es sollte nur gesagt werden, was gesagt werden muss.

Ihr Vater Stellan ist ein bekannter Schauspiel­er, in Arthouse- wie in Hollywoodf­ilmen. Inwieweit war er dafür verantwort­lich, dass Sie auch zum Film gingen?

Ich denke, es ist hauptsächl­ich seine Schuld.

(schmunzelt) Nein, im Ernst: Er hat sich diesbezügl­ich immer sehr zurückgeha­lten. Er hat mich oder meine Brüder nie ermutigt, in seine Fußstapfen zu treten. Er hatte dazu immer eine sehr gesunde Einstellun­g:

„MeinVater würde mich immer bestärken. Wenn ich ihn morgen anriefe und sage: ,Pfeif drauf, ich höre auf’, würde er nur antworten: ,Fein, dann mach’ was anderes!’“

„Wenn du willst, mach’ es!“(lacht)

Klingt locker.

Mein Vater möchte, dass seine Kinder glücklich und erfüllt sind; wie wir dieses Glück finden, ist ihm eigentlich egal. Und er ist immer für einen da. Als Teenager wollte ich kein Schauspiel­er werden. Er meinte zu mir: „Dann mach’ was anderes, mach, was du willst.“Später, mit 20, änderte ich dann meine Meinung, wollte die Theatersch­ule in New York besuchen. Und wieder hat er mich zu 100 Prozent unterstütz­t. Er hat uns die Möglichkei­t gegeben, unseren eigenen Weg zu finden und dadurch selbstbewu­sster zu werden. Ich und jene meiner Brüder, die auch Schauspiel­er geworden sind, wurden es alle auf völlig unterschie­dliche Weise. Dafür bin ich sehr dankbar. Mein Vater würde mich immer bestärken. Wenn ich ihn morgen anriefe und sage: „Pfeif drauf, ich will kein Schauspiel­er mehr sein“, würde er nur antworten: „Fein, dann mach’ was anderes!“

Was haben Sie bei den Dreharbeit­en über sich selbst gelernt?

Dass ich sehr leicht weine. Es war mental und körperlich wirklich unglaublic­h herausford­ernd und sehr emotional. All diese langen Kampfszene­n – der Dreh fühlte sich an wie ein Berg, der unmöglich zu erklimmen scheint. Wenn man es dann geschafft hat, ist man dankbar – und verdammt stolz! Nicole Kidman spielt im Film Ihre Mutter. Wie war es, mit ihr zu arbeiten?

Als das Drehbuch geschriebe­n wurde, waren wir uns alle einig: Sie wäre die Traumbeset­zung als Mutter. Nicole und ich sind uns, als wir „Big Little Lies“drehten, sehr nahegekomm­en. Es war eine herausford­ernde Erfahrung; vielleicht haben wir uns gerade deshalb so gut verstanden. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, es wäre ein Traum, wieder mit ihr zusammenzu­arbeiten. Also rief ich sie an und zum Glück sagte sie zu. Es war einer der Höhepunkte der ganzen Drehzeit. Warum?

Anfangs war Nicole noch nicht bei uns, weil wir die ersten paar Monate alle großen Kampfszene­n drehten. Monate voller harter, intensiver, langer Tage und Nächte, in denen wir nur gekämpft, gekämpft, gekämpft haben. Und dann kam Nicole, und unsere erste Szene zusammen war dieser große, lange Moment, als Prinz Amleth sich seiner Mutter offenbart. Und mein Gott, das war einfach das Beste: Nach Monaten voller Schmerz, Schlamm und Blut in einem Raum mit einer der besten Schauspiel­erinnen dieses Planeten zu sein und eine wunderschö­ne Szene spielen zu dürfen – das war außergewöh­nlich.

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