Amerikas langer Arm in der Ukraine
Ohne US-Unterstützung könnte sich die Ukraine nicht erfolgreich wehren. Warum die USA den Krieg, in dem sie nicht direkt mitkämpfen, dennoch als Belastung sehen
„Phönix Ghost“heißt die neuartige, kaum 15 Kilogramm schwere Waffe, mit der die USA die Verteidigung der Ukraine entscheidend stärken wollen. Die speziell für die ukrainischen Anforderungen entwickelte Drohne ist in der Lage, 30 bis 40 Minuten über ihrem Ziel zu kreisen, um dann im richtigen Moment, gesteuert von einem Soldaten, abgefeuert zu werden. Ihr Ziel: Die Zerstörung von mittelstark gepanzerten Waffensystemen. Vor allem also gegen die vorrückenden russischen Panzer im Donbass soll „Phönix Ghost“losfeuern.
120 dieser mit Gefechtsköpfen ausgestatteten Einwegdrohnen wird Washington der bedrängten ukrainischen Armee demnächst übergeben. Weiters im Gepäck: 72 Haubitzen und 144.000 Stück Artilleriemunition – als Teil einer weiteren, 800 Millionen Dollar schweren Waffenlieferung.
Ob militärisch oder finanziell, kein Staat hat sich gewichtiger an die Seite der bedrängten Ukraine gestellt als die USA: Allein im ersten Kriegsmonat gingen fast acht Milliarden Euro in Form von Waffenlieferungen und finanzieller Unterstützung an Kiew. In den Krieg selbst, das hat US-Präsident Joe Biden immer wieder klar gemacht, würden sich die USA nicht hineinziehen lassen.
Doch von der Hinterbank aus gesehen kurbelt Washington mit Kräften dafür, auch mit geheimdienstlicher Unterstützung, Russlands Armee zu schwächen. Nie zuvor sei es für die USA einfacher gewesen, den russischen Gegner zu schwächen und zu demütigen, ohne auch nur einen Fuß ins Kriegsgebiet setzen zu müssen, meinen Beobachter. Eine Sichtweise, der Militärexperte Walter
Feichtinger entschieden widerspricht: „Es lag nicht in der Absicht der USA, sich in Europa im Rahmen der NATO wieder so stark militärisch zu engagieren. Denn die USA vollziehen schon seit vielen Jahren einen Schwenk in den asiatisch-pazifischen Raum.“Daher sei der Krieg in der Ukraine für die USA kein Gewinn, sagt Feichtinger
zum KURIER, „sondern eher eine Belastung, mit der man in der Form nicht gerechnet hat.“
Sich gar nicht gegen den russischen Angriffskrieg zu positionieren, war aber für die militärische Supermacht Nummer eins unmöglich: „Natürlich müssen sie Flagge zeigen, weil es in den gesamten asiatisch-pazifischen Raum hinein Symbolwirkung hat“, führt der Militärexperte aus. „Aber andererseits werden Kräfte gebunden. Man kann China nicht mit jener Sorgfalt und dem Aufwand beurteilen und entsprechend agieren, wie man das eigentlich möchte.“
Zerfallene UdSSR
Schon seit 30 Jahren haben die USA die Ukraine genau im Blick: Als die Sowjetunion 1991 zerfiel, lagerten noch Tausende sowjetische AtomSprengköpfe auf dem Territorium der Ukraine. Weltweit war die Angst groß, dass die Waffen in die falschen Hände fallen könnten. Russland übernahm die Atomsprengköpfe – und stimmte gemeinsam mit den USA Abrüstungsprogrammen zu.
1994 reihte sich die Ukraine in die NATO-Partnerschaft für den Frieden ein, einer militärischen Kooperation mit dem Militärbündnis. Wegen ihrer Lage zwischen Russland und den neuen NATO-Ländern in Osteuropa kam der Ukraine für die USA enorme geostrategische Bedeutung zu. Der wichtigste Gegner blieb für Washington auch nach Ende das Kalten Krieges weiter Russland. Da konnte es der USA nur von Nutzen sein, die Ukraine auf ihrer Seite zu wissen.
Wirklich eng aber wurde der militärische Draht zwischen USA und der Ukraine aber 2014, nachdem Russland die Krim annektiert und Kämpfe in der Ostukraine losgetreten hatte. Tausende Angehörige der US-Armee wurden geschickt, um Offiziere auszubilden, militärisches Gerät geliefert, ukrainische Soldaten in Manöver einbezogen. So involviert in der Region waren schließlich die US-Geheimdienste, dass sie sie richtig kommen sahen: die russische Invasion in der Ukraine.