Das Dilemma Belarus
Konzern bleibt weiterhin in Weißrussland: „Rückzug würde Bevölkerung treffen, nicht aber Regime“. A1 Belarus profitabelste Landesgesellschaft, Pressesprecher nach wie vor in Haft
Aussteigen oder bleiben, Moral oder Geschäft? Etliche internationale Unternehmen haben bereits angekündigt, sich aus Belarus zurückzuziehen. Bisher war nicht klar, wie die teilstaatliche A1 Telekom, mit 42 Prozent Marktanteil die Nummer zwei in Weißrussland, vorgehen wird. Die heimische Politik überlässt die Entscheidung Vorstand und Aufsichtsrat, erklärt man dazu im Büro von ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner.
Jetzt gibt es eine Antwort. Die Österreicher bleiben. „Die A1 Telekom Austria Group plant keinen Rückzug aus Belarus“, teilte ein Unternehmenssprecher gegenüber dem KURIER mit. Einschränkung: Nach heutiger Beurteilung der Lage.
Aus moralisch-ethischer Sicht eine strittige Entscheidung. Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenko ist Putins engster Spieß- und Mordgeselle im Krieg gegen die Ukraine. Von belarussischem Terrain werden die Raketen Richtung Ukraine abgefeuert. Ausgerechnet ein Unternehmen, an dem der österreichische Staat maßgeblich beteiligt ist (28 Prozent) macht dort gute Geschäfte und wurde auf Geheiß von Lukaschenko zu Internet-Blockaden gezwungen.
Man sei sich der politischen Rahmenbedingungen und der Menschenrechtsthematik sehr bewusst, argumentiert die Telekom, sehe aber gleichzeitig den Einfluss, „den unser Engagement bewirkt“. Ein Rückzug würde „nur die Bevölkerung und unsere 2300 Mitarbeiter treffen, nicht aber das Regime“, erklärt Konzernsprecher Michael Höfler gegenüber dem KURIER.
Die A1 Telekom Group leiste einen wesentlichen Beitrag zur Zivilgesellschaft und zur Versorgung mit Internet im Land, „wir ermöglichen der Bevölkerung mit unserem Angebot Anschluss an Westeuropa, den Mitarbeitern einen internationalen Karrierepfad und zeigen der Bevölkerung, dass es eine Alternative gibt“.
Harte Gangart
Lukaschenko fährt einen harten Kurs gegen A1 Belarus. Anfang Dezember wurde der Pressesprecher, Nikolaj Bredelew
festgenommen, kurz darauf wurde vom Regime ein demütigendes „Geständnisvideo“veröffentlicht, in dem er sich selbst bezichtigte, an den Massendemonstrationen im Sommer 2020 beteiligt gewesen zu sein. Putins Scherge höchstpersönlich warf Bredelew öffentlich Datendiebstahl vor und kündigte „schärfste Maßnahmen“gegen das Unternehmen an. Im Jänner gab es eine Hausdurchsuchung.
Bredelew soll sich immer noch im berüchtigten Minsker Wolodarka-Gefängnis befinden, Menschenrechtsorganisationen haben ihn zum politischen Gefangenen erklärt.
Für ein Aussitzen in Belarus soll, hört man aus Unternehmenskreisen, vor allem der stark gewinnorientierte mexikanische Mehrheitseigentümer America Movil votiert haben. Gewerkschaft und Belegschaftsvertreter wiederum fürchten, ein Ausstieg würde sich auf die Jobs in Österreich durchschlagen und hier Arbeitsplätze kosten
Die Landesgesellschaft gehört innerhalb der Telekom-Group zu den profitabelsten Einheiten (siehe Zahlen links). Doch es droht Ungemach. Die westlichen Sanktionen gegen Belarus sind noch nicht so scharf wie gegen Russland, es wird aber allgemein erwartet, dass die EU nachlegt und auch die Telekom-Branche betroffen wird. Konflikte schaffen Bedarf für Telekom-Dienstleistungen, die Branche ist daher relativ krisenfest. Noch treffen die Sanktionen A 1 Belarus nur bei bestimmten Technologie-Importen. Werden die Banken stärker sanktioniert, würde die Telekom die Dividenden nicht mehr außer Landes bringen. In Minsk wird überhaupt spekuliert, Lukaschenko könnte die Telekom überhaupt enteignen. Oder der staatliche Marktführer Beltelekom könnte A1 Infrastruktur wegnehmen.
Ein Käufer würde sich durchaus finden, hört man aus Wirtschaftskreisen in Minsk. Russen als auch Chinesen würden das Unternehmen sofort übernehmen. Die starke Profitabilität macht A1 Belarus unabhängig vom Mutterkonzern, der Firmenwert ist abgeschrieben.
Die Propaganda regimetreuer Aktivisten gegen das Unternehmen wirkt nicht. Die Bevölkerung hofft sehr, wurde dem KURIER in Minsk erklärt, dass die Österreicher die Eigentümer bleiben.
Zwischenstufe Schlaff
Hierzulande sorgte die Übernahme der Velcom, wie das Unternehmen 2007 noch geheißen hatte, für viel öffentlichen Wirbel. Schmiergelder wurden vermutet und die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen, alle Ermittlungen aber eingestellt.
Eigentümer der vormals staatlichen Velcom war der Syrer Eead Samawi, ein enger Vertrauter von Lukaschenko. Die Telekom spitzte auf das Unternehmen, wollte aber aus Imagegründen nicht direkt mit Samawi ins Geschäft kommen, weshalb der Investor Martin Schlaff als Zwischenstufe eingeschaltet wurde. Die Telekom erhielt das Unternehmen um rund 1,3 Milliarden schuldenfrei. Und Schlaff hatte schön verdient, 100 bis 200 Millionen Euro wurden kolportiert.