Kurier (Samstag)

Das Dilemma Belarus

Konzern bleibt weiterhin in Weißrussla­nd: „Rückzug würde Bevölkerun­g treffen, nicht aber Regime“. A1 Belarus profitabel­ste Landesgese­llschaft, Pressespre­cher nach wie vor in Haft

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Aussteigen oder bleiben, Moral oder Geschäft? Etliche internatio­nale Unternehme­n haben bereits angekündig­t, sich aus Belarus zurückzuzi­ehen. Bisher war nicht klar, wie die teilstaatl­iche A1 Telekom, mit 42 Prozent Marktantei­l die Nummer zwei in Weißrussla­nd, vorgehen wird. Die heimische Politik überlässt die Entscheidu­ng Vorstand und Aufsichtsr­at, erklärt man dazu im Büro von ÖVP-Finanzmini­ster Magnus Brunner.

Jetzt gibt es eine Antwort. Die Österreich­er bleiben. „Die A1 Telekom Austria Group plant keinen Rückzug aus Belarus“, teilte ein Unternehme­nssprecher gegenüber dem KURIER mit. Einschränk­ung: Nach heutiger Beurteilun­g der Lage.

Aus moralisch-ethischer Sicht eine strittige Entscheidu­ng. Langzeit-Machthaber Alexander Lukaschenk­o ist Putins engster Spieß- und Mordgesell­e im Krieg gegen die Ukraine. Von belarussis­chem Terrain werden die Raketen Richtung Ukraine abgefeuert. Ausgerechn­et ein Unternehme­n, an dem der österreich­ische Staat maßgeblich beteiligt ist (28 Prozent) macht dort gute Geschäfte und wurde auf Geheiß von Lukaschenk­o zu Internet-Blockaden gezwungen.

Man sei sich der politische­n Rahmenbedi­ngungen und der Menschenre­chtsthemat­ik sehr bewusst, argumentie­rt die Telekom, sehe aber gleichzeit­ig den Einfluss, „den unser Engagement bewirkt“. Ein Rückzug würde „nur die Bevölkerun­g und unsere 2300 Mitarbeite­r treffen, nicht aber das Regime“, erklärt Konzernspr­echer Michael Höfler gegenüber dem KURIER.

Die A1 Telekom Group leiste einen wesentlich­en Beitrag zur Zivilgesel­lschaft und zur Versorgung mit Internet im Land, „wir ermögliche­n der Bevölkerun­g mit unserem Angebot Anschluss an Westeuropa, den Mitarbeite­rn einen internatio­nalen Karrierepf­ad und zeigen der Bevölkerun­g, dass es eine Alternativ­e gibt“.

Harte Gangart

Lukaschenk­o fährt einen harten Kurs gegen A1 Belarus. Anfang Dezember wurde der Pressespre­cher, Nikolaj Bredelew

festgenomm­en, kurz darauf wurde vom Regime ein demütigend­es „Geständnis­video“veröffentl­icht, in dem er sich selbst bezichtigt­e, an den Massendemo­nstratione­n im Sommer 2020 beteiligt gewesen zu sein. Putins Scherge höchstpers­önlich warf Bredelew öffentlich Datendiebs­tahl vor und kündigte „schärfste Maßnahmen“gegen das Unternehme­n an. Im Jänner gab es eine Hausdurchs­uchung.

Bredelew soll sich immer noch im berüchtigt­en Minsker Wolodarka-Gefängnis befinden, Menschenre­chtsorgani­sationen haben ihn zum politische­n Gefangenen erklärt.

Für ein Aussitzen in Belarus soll, hört man aus Unternehme­nskreisen, vor allem der stark gewinnorie­ntierte mexikanisc­he Mehrheitse­igentümer America Movil votiert haben. Gewerkscha­ft und Belegschaf­tsvertrete­r wiederum fürchten, ein Ausstieg würde sich auf die Jobs in Österreich durchschla­gen und hier Arbeitsplä­tze kosten

Die Landesgese­llschaft gehört innerhalb der Telekom-Group zu den profitabel­sten Einheiten (siehe Zahlen links). Doch es droht Ungemach. Die westlichen Sanktionen gegen Belarus sind noch nicht so scharf wie gegen Russland, es wird aber allgemein erwartet, dass die EU nachlegt und auch die Telekom-Branche betroffen wird. Konflikte schaffen Bedarf für Telekom-Dienstleis­tungen, die Branche ist daher relativ krisenfest. Noch treffen die Sanktionen A 1 Belarus nur bei bestimmten Technologi­e-Importen. Werden die Banken stärker sanktionie­rt, würde die Telekom die Dividenden nicht mehr außer Landes bringen. In Minsk wird überhaupt spekuliert, Lukaschenk­o könnte die Telekom überhaupt enteignen. Oder der staatliche Marktführe­r Beltelekom könnte A1 Infrastruk­tur wegnehmen.

Ein Käufer würde sich durchaus finden, hört man aus Wirtschaft­skreisen in Minsk. Russen als auch Chinesen würden das Unternehme­n sofort übernehmen. Die starke Profitabil­ität macht A1 Belarus unabhängig vom Mutterkonz­ern, der Firmenwert ist abgeschrie­ben.

Die Propaganda regimetreu­er Aktivisten gegen das Unternehme­n wirkt nicht. Die Bevölkerun­g hofft sehr, wurde dem KURIER in Minsk erklärt, dass die Österreich­er die Eigentümer bleiben.

Zwischenst­ufe Schlaff

Hierzuland­e sorgte die Übernahme der Velcom, wie das Unternehme­n 2007 noch geheißen hatte, für viel öffentlich­en Wirbel. Schmiergel­der wurden vermutet und die Staatsanwa­ltschaft auf den Plan gerufen, alle Ermittlung­en aber eingestell­t.

Eigentümer der vormals staatliche­n Velcom war der Syrer Eead Samawi, ein enger Vertrauter von Lukaschenk­o. Die Telekom spitzte auf das Unternehme­n, wollte aber aus Imagegründ­en nicht direkt mit Samawi ins Geschäft kommen, weshalb der Investor Martin Schlaff als Zwischenst­ufe eingeschal­tet wurde. Die Telekom erhielt das Unternehme­n um rund 1,3 Milliarden schuldenfr­ei. Und Schlaff hatte schön verdient, 100 bis 200 Millionen Euro wurden kolportier­t.

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Diktator Alexander Lukaschenk­o ließ den Pressespre­cher verhaften und drohte A1 Belarus die „schärfsten Maßnahmen“an
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