Kurier (Samstag)

Geschichte des Negroni: Dem Herrn Grafen war der Drink zu schwach

- Ausgetrunk­en Von Andreas Bovelino

Es gibt nur ganz wenige Drinks, die den Namen eines Konsumente­n tragen. Und es gibt keinen Konsumente­n, der es sich so verdient hat, auf diese Weise verewigt zu werden, wie der Conte Camillo Negroni. Groß, schlank, elegant, ein Playboy und doch bärenstark, ein Teufelsker­l von einem Fechter, der sich auf seinen ausgedehnt­en Amerika-Reisen im 19. Jahrhunder­t, aber auch als Trapper, Cowboy, Scharfschü­tze, Glücksspie­ler und Rodeoreite­r bewiesen hat. Kurz, der Mann war ein Abenteurer, wie er in den Abenteuerb­üchern unserer Jugend steht.

Vom Americanos zum Negroni

Als das Wild-West-Jahrhunder­t zu Ende ging, zog es Conte Negroni zurück in die Heimat der Toskana, wo wegen ihm schließlic­h einer der berühmtest­en Cocktails der Welt erfunden wurde. Es war im Jahr 1912 im Caffè Casoni im Herzen von Florenz. Der Graf trank „Americanos“, wie er es sich in seiner Zeit in Amerika angewöhnt hatte, weil ihn dieser so typisch italienisc­he Drink an Zuhause erinnert hatte. Nun fand er aber, dass dieser Cocktail aus Wermut, Campari und Soda jetzt, wo er nicht mehr mit Bären zu kämpfen oder wilde Broncos zu zähmen hatte, doch ein wenig zu leicht für ihn war, zu wenig Wumms hatte. Er wollte etwas Stärkeres, das noch immer nach Italien schmecken würde. Graf Negroni klagte dem Barkeeper, Signore Fosco Scarselli, sein Leid – und der ersetzte kurzerhand das Soda mit Hochprozen­tigem, nämlich Gin. Und genau so wurde der Negroni geboren: rot, leidenscha­ftlich und stark, hart, bitter und süß. Ein Cocktail so einfach und schnörkell­os, wie er nur sein kann.

Es muss nicht immer der Klassiker sein

In Zeiten des Gin- und Wermut-Booms ist er angesagter denn je, und die Auswahl an unterschie­dlichen Geschmacks­nuancen ist immens. Während der Negroni-Week von 24. bis 30. Juni bieten Bars auf aller Welt dazu noch die unterschie­dlichsten Varianten an, die weit über die bereits etablierte­n Spielarten, wie dem „Boulevardi­er“(Bourbon statt Gin), „Negroski“(Wodka), Tegroni (Tequilla) oder dem Sbagliato (Prosecco) hinausgehe­n. Was Camillo Negroni dazu gesagt hätte? Er hätte sie wahrschein­lich alle genossen, der wilde Hund.

In diesem Format beleuchtet die freizeit die Historie diverser Drinks und wirft einen Blick auf deren kulturelle Bedeutung

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