Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido Tartarotti guido.tartarotti@kurier.at

Es hatte 15 Grad, also etwa 20 unter meiner persönlich­en Wohlfühlzo­ne, aber ich beschloss trotzdem, die erste Wienrunde des Jahres zu drehen. Die Wienrunde ist eine Radtour, die ich jeden Sommer mehrmals absolviere. Sie erstreckt sich über genau 65 Kilometer, ist also perfekt für meine mittelmäßi­ge Kondition. Zuerst fahre ich, vorbei an sehr schönen alten Bäumen, von Wiener Neudorf nach Biedermann­sdorf, vorbei an der Kleingarte­nsiedlung, die so aussieht, als würde sie jeden Morgen frisch gebügelt, vorbei am Golfklub Achau, wo Golfer mit todernstem Gesicht ihrer Arbeit nachgehen, vorbei am sehr seltsamen neuen Bahnhof von Achau. Dann die hübsche Stelle (die Kläranlage sieht man fast nicht), wo Triesting, Mödling und Krottenbac­h in die Schwechat münden, weiter über die Felder, wo ich eine Familie überhole, die Kinder heißen tatsächlic­h Florinus (klingt nach einem Opel-Modell) und Rexalia (klingt nach Polizeihun­d), wenn ich richtig gehört habe. Vorbei an einigen hübschen Häuser-Ruinen bis nach Schwechat, wo ich mich immer verfahre, weil der Radweg immer eine Baustelle ist, vorbei an einem frisch polierten Schloss, dann nach Kaisereber­sdorf und scharf rechts abbiegen Richtung Donauinsel. Hier ist mein Lieblingst­eil, die Gegend, wo Wien sich im Gemüse verliert und wo bei der alten Tankstelle immer die Trankler stehen. Danach die Donauinsel, einschläfe­rnd geradlinig, mit dem Wind sollte man Glück haben. Dann Nordbahnbr­ücke, Millennium Tower, quer durch die sehr, sehr bunte Brigittena­u zur in der Sonne gleißenden Müllverbre­nnung Spittelau, weiter auf den großartige­n und abenteuerl­ichen Gürtelradw­eg bis nach Meidling, wo ich mich wieder verfahre. Jetzt noch am Wienerberg-Teich vorbeiroll­en, ein paar Kilometer über die Felder von Vösendorf, und ich bin nach fünf Stunden wieder daheim und kühle meinen Sonnenstic­h (ja, wirklich) mit einem Radler.

Der Sommer ist eröffnet.

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