Kurier (Samstag)

„Wenn das der neue Stil ist, finde ich den nicht leiwand“

Wolfgang Katzian. Der ÖGB-Präsident über mangelnde Einbindung der Sozialpart­ner, die Teuerung und „Eurozeiche­n“in den Augen

- VON RICHARD GRASL

Club 3: Der Finanzmini­ster sagt, er will davon weg, dass der Staat für alles einspringt. „Koste es, was es wolle“kann nicht auf Dauer gelten. Wolfgang Katzian: Ja, ist ihm unbenommen. Aber einer derer, die am meisten von der Inflation profitiere­n, ist der Finanzmini­ster.

Der Finanzmini­ster muss mit den Mehreinnah­men aber auch vieles abdecken, 1,6 Milliarden etwa für die strategisc­he Gasreserve. Er muss das große Ganze im Blick haben.

Das Gas ist ein gutes Beispiel. Da hab ich zum Finanzmini­ster gesagt: Schauen Sie sich einmal die Windfall-Profits der Energiekon­zerne an.

Das heißt, Sie wollen für Verbund, Landesener­gieversorg­er eine Sonderabga­be …?

Das gibt es in einigen Ländern schon. Man kann diese Windfall-Profits abschöpfen.

Sie haben unlängst gesagt, Sie halten die Lohn-PreisSpira­le für Nonsense …

Die Preise steigen ja nicht wegen der Lohnerhöhu­ngen. Die Preistreib­er sind Energie, Wohnen, Lebensmitt­el – und da wird noch einiges auf uns zukommen, Stichwort Lieferkett­en. Ich hab in der Zeitung ein Bild vom Hafen in Schanghai gesehen – das ist Südosttang­ente hoch drei. Das Ziel der Preissteig­erung ist, dass die Unternehme­n entspreche­nde Gewinne machen. Und wir versuchen dann in den Verhandlun­gen, auch für die Arbeitnehm­er was herauszuho­len. Und wenn dann jemand sagt, die Gewerkscha­ften handeln unverantwo­rtlich, dann muss ich schon sagen: In den letzten zwei Jahren haben wir wirklich moderate Abschlüsse gehabt – und die Gewinne sind gesprudelt, und manche sind nur mehr mit den Eurozeiche­n in den Augen herumgeran­nt. Aber jetzt wollen die Leute auch was davon haben. Und wenn dann jemand sagt, Achtung, Lohn-Preis-Spirale – das akzeptiere ich nicht.

Sie haben ein Aussetzen der Mehrwertst­euer auf Grundnahru­ngsmittel gefordert. Der Finanzmini­ster nennt das Gießkannen­prinzip …

Erstens habe ich gefordert, die Mehrwertst­euer auf Güter des täglichen Bedarfs entweder deutlich zu senken oder auszusetze­n. Da muss man sich natürlich mit den großen Ketten zusammense­tzen, damit sie das weitergebe­n – aber ich glaube, dazu gäbe es eine Bereitscha­ft. Jetzt heißt es, das sei nicht treffsiche­r. Das kommt immer, wenn es um etwas für die Ärmeren geht. Aber bei den großen CoronaFörd­erungen hat das niemand gesagt.

Das Argument ist, dass Besserverd­iener davon auch profitiere­n würden.

Einen gewissen Mut zur Lücke wird man brauchen, sonst muss jeder mit seinem Lohnzettel einkaufen gehen.

Muss man aber nicht auch dazusagen, dass es nicht nur die Eurozeiche­n in den Augen gibt, sondern – gerade angesichts der schwierige­n Gesamtlage – viele Sorgenfalt­en auf der Stirn der Unternehme­r?

Die Sorgenfalt­en gibt es, das weiß ich. Ich rede ja auch viel mit Unternehme­rn, nicht nur mit Betriebsrä­ten. Aber was wäre denn die Folge, wenn ich einen Kollektivv­ertrag unter der Inflation abschließe? Dann wird das Geld für die Betroffene­n noch weniger, es gibt einen Kaufkraftv­erlust, es kommt zu zusätzlich­en ökonomisch­en Schwierigk­eiten, die auch niemand wollen kann. Was nicht geht, ist, dass ordentlich­e Gewinne gemacht werden, die Aktionäre hineingrei­fen und sich die Taschen füllen, und man dann sagt, mehr als die Inflation können wir euch geben. Das geht wirklich nicht.

Arbeitsmin­ister Kocher hat am Donnerstag Lockerunge­n bei der Rot-Weiß-Rot-Karte präsentier­t, also bei Arbeitsmög­lichkeiten

für Menschen aus Nicht-EU-Ländern. Fürchten Sie einen verstärkte­n Druck auf den österreich­ischen Arbeitsmar­kt, auch aufgrund der ukrainisch­en Flüchtling­e?

Das Zauberwort in dem Zusammenha­ng heißt Lohnund Sozialdump­ing. Und das wollen wir mit aller Kraft vermeiden – egal, wer kommt. Deswegen haben wir gleich zu Beginn, wie die ersten Ukraine-Flüchtling­e gekommen sind, gesagt: Wir wollen, dass die arbeiten können, aber die Kollektivv­erträge müssen auch für sie gelten. Nach meinem Informatio­nsstand funktionie­rt das auch halbwegs.

Aber wenn es mehr Arbeitskrä­fte gibt, also ein höheres Angebot, dann sinkt der Preis der Arbeit …

Aber wir reden ja im Moment vom Fachkräfte­mangel! Dazu gibt es zwei Philosophi­en: die eine sagt, man muss mehr Druck auf die Arbeitslos­en ausüben, damit sie nicht auf der faulen Haut liegen, und wenn die alle arbeiten würden, hätten wir die Probleme nicht – was natürlich ein Blödsinn ist; und die andere, die sagt, wir finden die Leute nicht, auch nicht in der EU, also holen wir sie aus Drittstaat­en, dann paniert der Nigerianer am Arlberg Schnitzel. Diese Möglichkei­ten für Drittstaat­sangehörig­e bei Mangelberu­fen hat es ja schon bisher gegeben. Und jetzt hat der Minister eine neue Vorgangswe­ise auf den Tisch gelegt – und das in einer so heiklen Materie ohne Abstimmung mit den Sozialpart­nern. Das geht nicht. Jetzt habe ich mit ihm einen Vier-Augen-Termin vereinbart, und da werde ich ihm das noch deutlicher sagen. Wenn das der neue Stil ist, dann find ich den nicht leiwand.

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„Lohn- und Sozialdump­ing mit aller Kraft vermeiden“: ÖGB-Präsident Katzian

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