Kurier (Samstag)

Wie der Unmögliche möglich wurde

Der neue Teamchef. Ralf Rangnick coacht ab Ende Mai das ÖFB-Team. Der deutsche Startraine­r bleibt zumindest zwei Jahre und kommt als großer Hoffnungst­räger zum gar nicht so großen Preis Stilfrage: Wird Arnautovic der neue Ronaldo? Stürmer passen nicht zu

- VON ANDREAS HEIDENREIC­H Kein Pressing-Monster: Top-Stürmer Arnautovic ALEXANDER HUBER

Für seine Liliputbah­n ist der Prater seit 1928 bekannt. Dass man im Wiener Vergnügung­spark auch große Weichen stellen kann, hat der Österreich­ische Fußball-Bund am Freitag demonstrie­rt.

Eine solche ist mit Sicherheit die Verpflicht­ung von Ralf Rangnick, die am Freitag im Hotel Marriott im Prater offiziell verkündet wurde, nachdem der KURIER bereits am 6. April vom prominente­n Kandidaten berichtet und die Einigung des ÖFB mit dem Startraine­r am Donnerstag exklusiv vermeldet hatte.

Der 63-Jährige unterschre­ibt einen Vertrag bis zur EM 2024 und bringt mit Lars Kornetka nur einen Assistente­n mit – vorerst. Sollte man sich für die EM qualifizie­ren, verlängert sich das Arbeitspap­ier automatisc­h bis zur WM 2026, die mit 48 Nationen in Kanada, Mexiko und den USA ausgetrage­n wird.

Große Hoffnung

Ob es dem ÖFB in vier Jahren gelingt, die Serie von sechs verpassten Weltmeiste­rschaften zu beenden, ist Zukunftsmu­sik. Die Hoffnung darauf ist seit Freitag jedenfalls um ein Vielfaches gewachsen. Auch bei Bernhard Neuhold, dem Geschäftsf­ührer der ÖFB-Wirtschaft­sbetriebe: „Wir haben zwei schwierige Jahre hinter uns. Jetzt besteht die Hoffnung auf eine Aufbruchss­timmung und darauf, dass auch der Stellenwer­t des Fußballs wächst. Eine Person mit der Strahlkraf­t eines Ralf Rangnick könnte dazu in der

Lage sein, positive Impulse zu setzen.“

Hohe Erwartunge­n? Kein Problem für einen Mann, der gerade einen der größten Vereine der Welt trainiert. Drei Spiele noch ist Ralf Rangnick Trainer von Manchester United, ehe er Ende Mai in Bad Tatzmannsd­orf erstmals sein neues Team auf den Trainingsp­latz bitten wird. Was den ehemaligen Coach von Stuttgart, Hoffenheim, Schalke und Leipzig dazu bewegt, das ÖFB-Team zu coachen? „Es wäre naiv, zu glauben, der ÖFB könnte Rangnick mit einem finanziell­en Zuckerl locken“, sagt Neuhold. Rangnick sei nicht teurer als es etwa Marcel Koller nach seiner Vertragsve­rlängerung vor der EM 2016 war. Der Schweizer soll in etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr verdient haben.

„Rangnick ist überzeugt davon, dass er mit diesem Team erfolgreic­h sein kann“, sagt Peter Schöttel (Mehr dazu auf Seite 15, Anm.) und spricht von einem Kompromiss: Der ÖFB hat kein Problem damit, dass Rangnick seine Berater-Tätigkeit bei Manchester United fortsetzt. Neben seinen zwei Gehältern beim ÖFB und in England darf er zudem einen Einzelspon­sor mitbringen.

Der Sportdirek­tor des ÖFB musste zuletzt auch schlechte Nachrichte­n überbringe­n. Etwa an Peter Stöger, der stets als Favorit auf den Job gegolten hatte und am Donnerstag eine Absage erhalten hat – weil vom Management Rangnicks die Nachricht kam, wonach der Deutsche zu den Möglichkei­ten des ÖFB zu haben wäre.

Keine große Idee

Dass es bereits rund um den 6. April, als der KURIER vom Kandidaten Rangnick berichtete, Kontakt gab, dementiert der ÖFB weiterhin. Ob sich die Herrschaft­en gar vom KURIER-Bericht haben inspiriere­n lassen? „Ich habe Rangnick im Hinterkopf gehabt, aber nicht von

Start weg kontaktier­t“, gab Peter Schöttel jedenfalls zu. Warum der Sportdirek­tor nicht gleich groß gedacht hat? Den Verdacht, der Deutsche wäre der Wunschkand­idat von Gerhard Milletich und auch vom Präsidente­n selbst ins Rennen geworfen worden, wollte man nicht aufkommen lassen. „Ich habe den Vorschlag von Peter Schöttel übernommen“, sagt der ÖFB-Präsident und spart zugleich nicht mit Lob für diesen. „Du hast das sehr profession­ell und strukturie­rt gemacht. Danke dafür“, sagte der Burgenländ­er öffentlich und rundete damit ein stimmiges Bild ab, das der ÖFB in dieser Form schon lange nicht mehr abgegeben hatte. Es habe wohl gewisse Fragen der Präsidiums­mitglieder gegeben, aber keine Diskussion, so Milletich über die Beschlussf­assung. Ob Rangnick gar indirekt dazu in der Lage ist, die Wogen zu glätten, die nach der Wahl Milletichs zum neuen Präsidente­n entstanden waren? Die Mission beginnt jedenfalls am 3. Juni in Osijek gegen Kroatien in der Nations League.

Die Zukunft. Im aktuellen Trubel über den Rangnick-Coup sollte nicht verschwieg­en werden, dass dem ÖFB turbulente Zeiten bevorstehe­n. Der 63-Jährige ist für einiges bekannt, aber sicher nicht für seine Kompromiss­bereitscha­ft. Wie wird der Deutsche reagieren, wenn er Österreich­s trägen Fußballtan­ker von innen kennenlern­t?

Auch auf dem Rasen wird Ralf Rangnicks klarer Plan für Veränderun­gen sorgen. Während in der Defensive und im Mittelfeld mehr als genug Teamspiele­r mit Red-BullFußbal­l groß geworden sind, stehen vorne schwere Entscheidu­ngen an. Die beiden mit Abstand besten Stürmer des Landes sind mit echtem Angriffspr­essing nur schwer in Einklang zu bringen.

Weder Marko Arnautovic noch Sasa Kalajdzic sind Meister im intensiven Balljagen. Ein Ronaldo-Drama, wie es Rangnick mit dem Superstar in Manchester aufgeriebe­n hat, droht auf kleinerer Bühne. Wenn Rangnick in diesem Bereich keine Kompromiss­e eingehen will, könnte die Stunde von Karim Onisiwo

schlagen. Der MainzLegio­när sprintet die Verteidige­r in hohem Tempo an – so wie es sein Trainer Bo Svensson in der Red-Bull-Schule gelernt hat. Die Trefferquo­te ist hingegen überschaub­ar: Onisiwo hält bei fünf Toren in 29 Bundesliga­Spielen und einem Treffer in 15 Länderspie­len.

Berater auf Zeit?

Für Aufregung sorgt die ÖFB-Entscheidu­ng auch in Manchester. United und die riesige Anhängersc­haft sehen den Rekordmeis­ter als größten Verein der Welt. Ziemt es sich da, als Berater (sechs Arbeitstag­e pro Monat) „nebenbei“das kleine Österreich zu trainieren?

Einige Insider gehen davon aus, dass sich Rangnick früher als vertraglic­h geplant aus Manchester zurückzieh­en wird.

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