Kurier (Samstag)

Weniger als Zimmer-Kuchl-Kabinett

- VON BARBARA BEER barbara.beer@kurier.at

Nun erwähnten wir, dass der jüngst verstorben­e Maler Hermann Nitsch aus Groß-Jedlersdor­f, einem der vielen Dörfer Floridsdor­fs, stammte. Die wunderbare Bezirkschr­onistin Agnes Bernhart schrieb uns daraufhin ein paar Zeilen, die uns so berührten, dass wir beschlosse­n, einige davon wiederzuge­ben. Es hilft, zu wissen, dass die ehrenamtli­che Bezirksmus­eumsmitarb­eiterin früher Religionsp­ädagogin war. Sie weiß also, wovon sie spricht, wenn sie von den spirituell­en Wurzeln des Malers schreibt.

Nitsch wohnte mit seiner Mutter, einer Kriegerwit­we, in der Schwemmäck­ergasse in ärmsten Verhältnis­sen. Man hatte weniger als ZimmerKuch­l-Kabinett.

Künstleris­che Ambitionen entwickelt­en sich unter schwierigs­ten Umständen. „Er hatte als Jugendlich­er keinen Platz, um seine Zeichnunge­n auf einer Staffelei aufzustell­en. So hängte er sie auf die Kleiderabl­age der kleinen Wohnung. Im Arbeiterhe­im, heute die Volkshochs­chule in der Angerer Straße, durfte er seine ersten Schüttbild­er machen“, schreibt Agnes Bernhart. Bei der Erstkommun­ion in der Jedlersdor­fer Kirche kam Nitsch mit der Religion in Berührung, die Erzählung vom Opfertod Jesu beeindruck­te den sensiblen jungen Menschen zutiefst, er habe „den Wahnsinn dieses Vorgangs begriffen und sein Leben lang um Klarheit darüber gerungen. Auch über die Menschen und ihre Möglichkei­ten zur Erlösung – zu einem mit allen Sinnen erlebtem Leben zu kommen.“Vielleicht, schreibt Frau Bernhart, sei Nitsch deshalb von vielen „so unverstand­en“geblieben.

Liebe Frau Bernhart, danke für Ihre einfühlsam­en Worte. Zarter Themenwech­sel. Der Tod von Willi Resetarits hat uns gerade noch gefehlt.

In Nachrufen war zu lesen, dass er Stinatzer und Favoritner war. Stimmt. Floridsdor­fer war er aber auch, die Familie zog in den 21., als er zwölf war. Uns ließ er einmal wissen: „I sog immer: Floridsdor­f ist ein unterschät­zter Bezirk. Als Floridsdor­fer bin ich der Bruckhaufe­n-Vertreter. Is a super Gegend.“Und dann sagte er den schönen Satz: „Ich habe viele Heimaten.“

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