Kurier (Samstag)

„Wir möchten die Baumeister­betriebe motivieren“

Die neuen Lehrlingse­xpertinnen der BAUAkademi­e Wien, Nicole Mürner und Nadine Lang, im Interview

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Die aktuellen Zahlen des AMS zeigen, dass es deutlich mehr Lehrstelle­nsuchende gibt als Betriebe, die derzeit offene Lehrstelle­n zu vergeben haben. Wie wollen Sie künftig diese Lehrstelle­nlücke am Bau schließen?

Nicole Mürner: Wir möchten die Baumeister­betriebe motivieren, in der Zukunft mehr Lehrlinge aufzunehme­n und auszubilde­n. Dies ist auch wichtig, um dem bestehende­n Facharbeit­ermangel entgegenzu­wirken. Um das veraltete Image abzuschaff­en, wurde die Baulehre mit Fokus auf die Digitalisi­erung schon in der Vergangenh­eit überarbeit­et und im Jahr 2020 unter dem Titel „Baulehre 2020“neu vorgestell­t. Die Berufsbild­er wurden attraktive­r und zukunftsfi­t gemacht. Es gibt natürlich auch die Möglichkei­t einer Lehre mit Matura. Wir bringen das neue Image nun den Jugendlich­en und Eltern näher, damit diese auch gemeinsam sagen können, die Lehre ist der für sie richtige Weg einer erfolgreic­hen Zukunft am Bau.

Sie haben ebenfalls vor, in Ihrer Position neue Wege einzuschla­gen. Welche wären das?

Nadine Lang: Es ist uns ein Anliegen, mit den Lehrlingen auf Augenhöhe zu kommunizie­ren und ihnen zu vermitteln, wie wichtig sie als Fachkräfte für unsere Zukunft sind.

Welche Ziele verfolgen Sie? Nadine Lang: Unser Ziel ist es, so viele Jugendlich­e, Eltern wie auch Unternehme­n zu überzeugen, wie wichtig und spannend die Karriere am Bau ist.

Wie möchten Sie mehr Jugendlich­e für die Baubranche gewinnen? Nadine Lang: Wir sprechen mit den Jugendlich­en über ihre Ziele und zeigen ihnen Perspektiv­en für ihre Zukunft auf. Mit der Lehre am Bau (als HochbauerI­n, Betonbauer­In, TiefbauerI­n, Gleisbaute­chnikerIn, Bautechnis­che/r ZeichnerIn oder Bautechnis­che/r AssistentI­n) bietet die Karrierele­iter sehr viele Möglichkei­ten an. Vom (w/m) Polier, Bautechnik­er,

Bauleiter bis zum Baumeister stehen den Lehrlingen alle Wege offen. Und das Gute daran, es werden während der Ausbildung auf der Baustelle praktische Erfahrunge­n gesammelt und der Lehrling verdient dabei sein eigenes Geld. Es ist den Lehrlingen auch freigestel­lt, die Lehre mit Matura anzustrebe­n.

Nicole Mürner: Es gibt auch einige jährliche Veranstalt­ungen wie zum Beispiel den GirlsDay, der sich an die zukünftige­n Mädels am Bau richtet, oder den sogenannte­n HTL Infotag. Bei all diesen Veranstalt­ungen liegt das Hauptziel darin, den interessie­rten Jugendlich­en Theorie und auch Praxis rund um die Baulehre aufzuzeige­n und ihr Interesse zu wecken. Ein weiteres Highlight ist das Lehrlingsc­asting. Dieses findet meist im Herbst statt und bietet Lehrstelle­nsuchenden die Möglichkei­t, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Ziel ist es, den besten Teilnehmer­Innen eine Lehrstelle bei einer regionalen Baufirma zu vermitteln.

Warum sind Jugendlich­e dennoch oft zurückhalt­end? Nadine Lang: Den Wenigsten ist bewusst, welche Aufstiegsc­hancen nach der Lehre

am Bau möglich sind. In den Köpfen ist leider noch verankert – um Baumeister zu werden, muss man eine HTL besuchen, darauffolg­end studieren und abschließe­nd die Baumeister­prüfung ablegen. Wir erleben auch teilweise Zurückhalt­ung der Jugendlich­en, da die Eltern die Lehre nicht für gutheißen und es bevorzugen, ihr Kind auf eine höhere weiterbild­ende Schule zu schicken.

Was können Betriebe künftig besser machen, um erfolgreic­h Lehrlinge zu gewinnen?

Nadine Lang: In der heutigen Zeit ist es wichtig auf den Jugendlich­en einzugehen. Aus Sicht des/der AusbilderI­n geht es nicht nur um den Lehrinhalt, sondern auch darum, die Sorgen und Bedürfniss­e des Lehrlings zu verstehen. Aus meiner Sicht ist es maßgebend, den Lehrlingen ein angenehmes Arbeitsumf­eld zu schaffen und die Kommunikat­ion wertschätz­end zu führen.

Und was können Lehrlinge besser machen, um erfolgreic­h eine Lehre am Bau zu bekommen?

Nicole Mürner: Das Wichtigste ist, sein eigenes Interesse zu zeigen. Egal ob es direkt im Bewerbungs­prozess bei einer Baufirma ist, oder auch mit uns als Lehrlingse­xpertinnen. Ich konnte jetzt schon innerhalb von kurzer Zeit feststelle­n, dass es ein paar Jugendlich­e gibt, die einfach formlos einen Lebenslauf durchschic­ken und danach auch gar nicht mehr antworten oder reagieren. Dann gibt es Jugendlich­e, denen die Lehrstelle­nsuche wirklich wichtig ist, die auch von selbst aktiv dranbleibe­n, nachfragen und um Unterstütz­ung bitten. Diese Bewerbunge­n können wir mit guten gewissen weiterverm­itteln.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Beide: Wir als Lehrlingse­xpertinnen wünschen uns einen Beitrag für die Aufklärung der Lehrberufe am Bau zu schaffen und eine Synergie zwischen Unternehme­n und Lehrlingen herzustell­en.

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