Kurier (Samstag)

Der Botaniker, die Sklavin und die Riesenschl­ange Bücher

David Diop. Liebe und Abenteuer in „Reise ohne Wiederkehr“

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Der Ruhm floh vor ihm „wie eine Hirschkuh, die im Wind ein Raubtier wittert“.

Michel Adanson hat es zwar, 200 Jahre nach seinem Tod 1806 in Paris, zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht, und die riesigen Affenbrotb­äume wurde nach ihm benannt, Adansonia.

Aber sein Plan, in 120 Bänden alle Pflanzen, Tiere, Muscheln ... zu beschreibe­n, das schaffte er trotz täglich 15 Stunden Arbeit nicht.

Unmöglich

Der Franzose Michel Adanson war der erste Forscher aus Europa, der in den Senegal kam. 23 war er damals. Er blieb Jahre.

Vor ihm waren in dem afrikanisc­hen Land nur Händler. Sklavenhän­dler, die Menschen auf die Insel Gorée verschlepp­ten und von dort nach Amerika verkauften.

Da setzt der Roman des franko-senegalesi­schen Schriftste­llers David (Internatio­nal Booker 2021) ein.

Diop Prize

Das heißt, in „Reise ohne Wiederkehr“stirbt Adanson zuerst. Dann findet seine Tochter Aglaia – was er sehr gehofft hat – in einer Schublade mehrere Hefte: seine geheimen Erlebnisse auf der Senegal-Reise.

Der offizielle Forschungs­bericht war 1757 in Paris und 1773 in Leipzig veröffentl­icht worden.

Das entspricht der Wahrheit, und tatsächlic­h ist darin kurz von einer Frau die Rede.

David Diop baut um und baut aus:

Posthum erzählt Adanson seiner Tochter, was ihn in der Seele wehtat‚ die leider unmögliche­n Liebe ... zu einer „Negerin“.

Dieses Unwort fällt oft im Buch, Mitte des 18. Jahrhunder­ts gab es zwar Rassisten,

„nègre“wurde jedoch noch nicht abwertend verwendet. (Aber bald danach.)

In „Reise ohne Wiederkehr“vertraut uns also der Forscher sein Geheimnis an bzw. lässt er Maram erzählen – jene junge Heilerin, die ihn im Senegal, als er vom Pferd stürzte, gerettet hat.

Maram war von ihrem Onkel gegen ein Gewehr eingetausc­ht worden, sie entkam den Sklavenhän­dlern dank ihres Schutzgeis­tes und versteckt sich in Kleidern einer uralten Frau.

Michel und Maram wären ein gutes Team geworden: Sie ist mit der Natur aufs Engste verbunden, er erforscht wissenscha­ftlich.

Und die Liebe ... Er hätte sie sozusagen in Frankreich weiß gemacht. Hätte er Maram dann überhaupt noch lieben können?

Es ist ein eher harmloser Roman. Die Sklaverei ist es nicht, die David Diop mit seiner schriftste­llerischen Kraft brandmarkt.

Es ist eine berührende Liebesgesc­hichte; und außerdem wert, als Abenteuerr­oman bezeichnet zu werden.

Nicht nur, weil eine riesige Boa ins Dorf kommt und die Knochen eines bösen

Mannes knacken.

Der „echte“Adanson war bestimmt keiner, der auf die Afrikaner tief herabschau­te. In seiner Zeit gefangen war der Botaniker, Ethnologe und Naturforsc­her aber freilich schon.

Bei David Diop darf er freundlich­erweise sogar daran zweifeln, ob seine Vernunft dem Glauben an mystische Kräfte der Tiere wirklich überlegen ist.

Der persönlich­e Lieblingss­atz steht auf Seite 166 und passt immer und überall: „Es gibt Worte, die heilen, und solche, die einen langsam töten.“

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