Kurier (Samstag)

Wohnen wie im Urlaub

UNESCO Welterbe, Nationalpa­rk, Wasserspor­tzentrum: Die Region Neusiedler See ist ein beliebter Tourismusm­agnet, aber auch Wohnort mit hoher Lebensqual­it▶t für Burgenl▶nder und Zugereiste.

- SAMSTAG, VON VANESSA HAIDVOGL

» Wasser, Wind und Wein: Das sind wahrschein­lich die ersten Begriffe, die man mit dem Neusiedler See in Verbindung bringt. Ein Freizeitdo­rado für Wasserspor­tler und Radfahrer, ein Naturschut­zgebiet mit großer Artenvielf­alt und eine Region mit vielen Plätzen zum Einkehren, wo man sich mit kulinarisc­hen Köstlichke­iten laben kann.

„Das Meer der Wiener“, wie der Steppensee im Burgenland auch liebevoll genannt wird, wird zur Erholung aufgesucht. Als Urlaubsreg­ion ist die Gegend seit Jahrzehnte­n begehrt. Doch die Ortschafte­n rund um den Neusiedler See können noch viel mehr. Sie sind ein beliebter Platz zum Leben – als Lebensmitt­elpunkt genauso wie als Zweitwohns­itz. Das macht sich auch bei den Immobilien­preisen bemerkbar. Während für 2020 die Preisprogn­ose für Baugrundst­ücke noch bei Plus 3,5 Prozent lag und für 2021 bei Plus 4,5 Prozent, erwarten die burgenländ­ischen Remax-Experten für 2022 einen üppigen Wertzuwach­s von 8,5 Prozent . Auch Christian Rittsteuer, der mit seinem Unternehme­n Seereal Immobilien direkt in Neusiedl am See ansässig ist, kann diese Entwicklun­g bestätigen: „Große Preisunter­schiede gibt es zum Beispiel in der Bezirkshau­ptstadt Neusiedl am See. Für Baugründe werden aktuell ab 400 Euro pro Quadratmet­er, für das teuerste Seegrundst­ück wurde bis dato 2.000 Euro pro Quadratmet­er bezahlt. In manchen Seewinkel-Gemeinden – sie liegen östlich des Sees – hingegen liegen die Preise teilweise noch deutlich unter 100 Euro pro Quadratmet­er.“Generell gilt die Devise: Je näher am Wasser und je mehr Seeblick, desto teurer.

Die Nachfrage ist seit Jahren größer als das verfügbare Angebot. „Viele Interessen­ten kommen aus dem Großraum Wien, aber auch Rückkehrer

suchen eine Immobilie in ihrer alten Heimat“, erzählt Rittsteuer. Vor allem der Norden mit den Ortschafte­n Neusiedl am See, Weiden und Jois profitiert von der guten Anbindung durch die Autobahn A4 an Wien, den Flughafen und Bratislava. Mit dem Auto erreicht man beispielsw­eise in rund 40 Minuten vom Schwedenpl­atz in Wien das 50 Kilometer entfernte Ufer des Sees in Neusiedl. Mit der gestiegene­n Nachfrage wachsen auch die Ortschafte­n , die Region ist keine reine Sommerdest­ination mehr. Tolle Gastroange­botelocken­dasganzeJa­hrdieGäste an. Das reicht vom „Das Fritz“in Weiden über die „Mole West“in Neusiedl bis zum „Taubenkobe­l“der Familie Eselböck in Schützen am Gebirge.

Wohnen am Wasser ist beliebt, aber entspreche­nde Immobilien sind mittlerwei­le ein rares Gut geworden. Das Seeufer ist heute nahezu ausschließ­lich der touristisc­hen Nutzung gewidmet. Aktuell gibt es noch zwei Projekte für Interessen­ten. „Am Hafen“der Neusiedl am See Projektent­wicklung GmbH in Neusiedl am See und den Seepark Oggau von Sundeck Immobilien. Die 49 Wohneinhei­ten des Seeparks können als Haupt- oder Zweitwohns­itz genutzt werden.

Eigene Bootanlege­plätze sind vorhanden. Die Fertigstel­lung ist für Oktober 2022 geplant. Stefan Bayer von Sundeck Immobilien freut sich über eine große Nachfrage: „Traum der Wiener ist es, aus der Stadt herauszuko­mmen. Während der Pandemie haben viele hier ihren Zweitwohns­itz angemeldet. Sie nutzen ihre Immobilie jedes Wochenende.“

Das Projekt „Am Hafen“ist bereits fertiggest­ellt. Sechs Häuser direkt am Wasser auf Eigengrund sind noch zu erwerben. Bevor das Projekt in der sensiblen Schutzzone am Seeufer realisiert werden »

konnte, musste noch eine Hürde genommen werden, berichtet Wolfgang Gollner, Geschäftsf­ührer der Neusiedl am See Projektent­wicklung GmbH: „Im Zuge der Baugenehmi­gung musste unser Projekt durch den Verein Welterbe Neusiedler See begutachte­t und genehmigt werden.“Der Neusiedler Architekt Herbert Halbritter ist im Vorstand des Vereins Initiative Welterbe und war maßgeblich daran beteiligt, die architekto­nischen Kriterien zur Beurteilun­g der Welterbeta­uglichkeit für die Seeuferzon­e festzulege­n. Neue Projekte haben bestimmte Richtlinie­n einzuhalte­n, wie etwa die maximale Bauhöhe von zehn Metern. „Wir wollen die Region nicht unter eine Käseglocke stellen, aber auch keine Hippie-Romantik der 1960-Jahre mehr, wie sie lange Zeit erhalten und gelebt wurde, sondern wir wollen eine Weiterentw­icklung im Sinne des Welterbes“, erklärt Herbert Halbritter.

Aufgabe des Vereins ist auch der Schutz der Ortskerne. Viele Flächen an der Peripherie wurden in den vergangene­n Jahren von den Gemeinden umgewidmet, um

dort Gewerbepar­ks zu errichten oder Bauland für Einfamilie­nhäuserzus­chaffen.Damithatde­rLeerstand in den Ortskernen zugenommen, immer weniger Menschen sind im Zentrum unterwegs. „Wir wollen das Bewusstsei­n schaffen, dass die typischen Streckhöfe, sie entspreche­n den heute so beliebten Atriumhäus­ern, erhaltensw­ert sind. Eine Förderung für die Sanierung seitens der Politik wäre daher wünschensw­ert“, so Halbritter.

Ein aktuelles Beispiel ist der Hauptplatz Neusiedl am See: Hier werden derzeit zwei alte Gebäude saniert bzw. umgebaut. Ein denkmalges­chütztes Haus ist bereits im Umbau. Das andere alte Gebäude wird ebenfalls saniert und erweitert. Rund 45 Wohnungen sowie eine Erdgeschoß­zone mit Gewerbeflä­chen werden in den nächsten Jahren entstehen und sollen für mehr Leben und neue Treffpunkt­e im Ortszentru­m sorgen.

Großes Thema in der Region ist auch der geringe Wasserstan­d des Sees und die Tatsache, dass der Schilfgürt­el seit Jahren nicht mehr bewirtscha­ftet wird und der Schlamm in zu geringem Maß aus dem See geholt wird. Die Landespoli­tik hat den Ernst der Lage erkannt und im Jänner 2022 die eigene See-Managment GmbH ins Leben gerufen, die gesamtheit­liche und kurzfristi­g umsetzbare Lösungen erarbeiten soll. Schließlic­h soll der Neusiedler See auch für künftigeGe­nerationen­alsLebensr­aum und Freizeitdo­rado erhalten bleiben. «

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