Kurier (Samstag)

Der leise Tod aus der Luft

Bayraktar. Die hochmodern­en Drohnen der ukrainisch­en Armee verzeichne­n einen Erfolg nach dem anderen. Hergestell­t werden sie in der Türkei – der Krieg in der Ukraine zeigt, dass sie zu den Besten ihrer Art gehören

- VON JOHANNES ARENDS

Fast lautlos und vergleichs­weise langsam sind sie unterwegs. Trotz ihrer 650 Kilogramm, verteilt auf zwölf Metern Spannweite, sind sie in knapp sieben Kilometern Höhe vom Boden aus kaum zu sehen. Die Bayraktar-Kampfdrohn­en sind das Ass im Ärmel der ukrainisch­en Armee geworden. Zu ihrer bevorzugte­n Beute gehören Panzer, Kampfschif­fe und Luftabwehr­geschütze. Die Ukraine soll nur über maximal 26 dieser Drohnen verfügen – doch die reichen aus, um die russische Schwarzmee­rflotte in Schach zu halten.

Gebaut werden die hochmodern­en Drohnen in der Türkei vom Rüstungsko­nzern Baykar Defense. Bayraktar bedeutet auf Deutsch „Fahnenträg­er“, es ist aber auch der Familienna­me des Firmengrün­ders Özdemir Bayraktar. Dessen Söhne Haluk und Selçuk haben das Familienun­ternehmen zu einem Imperium ausgebaut: Haluk als Geschäftsf­ührer, Selçuk als technische­r Direktor, Leiter des Drohnenpro­gramms und Kopf hinter der Entwicklun­g des modernen Typs TB2.

Die vergleichs­weise großen und schweren Kampfdrohn­en können mittels Autopilot abheben, fliegen und landen. Zum Abschuss der angebracht­en Präzisions­raketen oder Bomben braucht es dagegen einen Piloten und einen Schützen – allerdings reicht es auch, wenn die Hunderte Kilometer entfernt in einem Lkw sitzen.

Irak, Syrien, Armenien

Selçuk Bayraktars Schwiegerv­ater, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, ließ die tödlichen Drohnen erstmals beim Kampf gegen kurdische Milizen im Nordirak einsetzen. Dank ihrer Wärmekamer­a waren sie problemlos in der Lage, die verschanzt­en kurdischen Soldaten bei vollautoma­tischen Aufklärung­sflügen aufzuspüre­n – und derart effektiv, dass die türkische Armee in der Region keine Bodentrupp­en mehr einsetzen müssen.

Später kamen die TB2 auch bei Kämpfen gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) im syrischen Bürgerkrie­g sowie 2020 als Teil der Armee Aserbaidsc­hans bei Konflikten mit Armenien zum Einsatz. Doch erst die Erfolge der von der ukrainisch­en Armee eingesetzt­en Bayraktar-Drohnen ließ erkennen, wie überlegen das türkische Produkt anderen Kampfdrohn­en ist.

Erst im vergangene­n Oktober hatte die ukrainisch­e Regierung in weiser Voraussich­t zwanzig TB2-Drohnen gekauft, bis zum russischen Angriff am 24. Februar waren aber erst, je nach Quelle, zwischen zwölf und sechzehn von ihnen geliefert worden. Gerade wegen dieser geringen Zahl hatten internatio­nale Militärexp­erten sie nicht als Gefahr für das russische Militär mitsamt seiner modernen Luftabwehr eingeschät­zt. Sie lagen falsch.

Ukrainisch­er Mythos

In nur einer Woche zerstörten die ukrainisch­en BayraktarD­rohnen ein russisches Luftabwehr­system, drei Landungsbo­ote, einen Panzerverb­and und zerschluge­n einen Konvoi tschetsche­nischer Truppen kurz vor Kiew.

Seither gehen die Abschüsse durch Drohnen in diesem Tempo weiter. Sie werden aber auch zum Transport von Munition auf ukrainisch­em Gebiet sowie zur automatisc­hen Aufklärung genutzt.

Die enorme Effektivit­ät der Bayraktar bringt sogar die türkische Regierung unter Druck, die sich in dem Konflikt bisher stets neutral zu geben versucht. Nachdem die Ukraine im März zwanzig weitere Drohnen von Baykar Defense gekauft hatte, wies das türkische Außenminis­terium in einer Stellungna­hme darauf hin, dass es sich nicht um militärisc­he Hilfe, sondern um ein Geschäft mit einem Privatunte­rnehmen handle.

Weil die Drohnen auch noch hochauflös­end filmen können, wird jeder Abschuss mittels einer Bayraktar von der ukrainisch­en Armee genüsslich für die eigenen Propaganda genutzt. Die Drohnen sind inzwischen zum Symbol des Widerstand­es und einer Art Mythos für ukrainisch­e Soldaten geworden.

Neben einem Handy-Spiel, bei dem man eine ukrainisch­e Drohne steuert, hat die Armee ihr sogar ein Lied gewidmet. Zum Schluss heißt es dort: „Sie nutzen alle Arten von Waffen, (...) wir haben darauf nur eine Antwort: Bayraktar.“

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Luftaufnah­men der Bayraktar TP2, wie hier beim Abschuss eines russischen Panzers, befeuern den Mythos um die Kampfdrohn­en

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