Kurier (Samstag)

Eishockey. „Manchmal bleibt einem die Luft weg“

Bernhard Starkbaum ist mit 36 Jahren in bestechend­er Form. Bei der WM in Finnland lastet ab heute viel Druck auf Österreich­s Tormann. Ein Gespräch über harte Schüsse und härtere Gegner Teurer Rückhalt

- VON PETER KARLIK

Wenn Österreich­s EishockeyT­eam am Samstag gegen Schweden erstmals das Eis der Nokia-Arena in Tampere betreten wird (11.20 Uhr/live ORF Sport+), dann wird ein Mann im Mittelpunk­t des Geschehens stehen: Bernhard Starkbaum. Der 36-jährige Wiener hat sich nach seinen Leistungen in der abgelaufen­en Saison als Einsertorm­ann empfohlen und wird wohl die wichtigste­n Partien dieses Turniers absolviere­n. Auf ihm lastet besonderer Druck, da Österreich bei einer A-WM eher nur dann ein Spiel gewinnt, wenn der Tormann der beste Mann auf dem Eis ist.

Ob die WM erfolgreic­h wird, wird aber weniger am Wochenende gegen Schweden oder die USA zu sehen sein als im letzten Vorrundens­piel gegen Großbritan­nien: Die Briten sind Österreich­s Gegner auf dem Weg zum Klassenerh­alt. Im Interview spricht Bernhard Starkbaum über seine aktuell gute Form, seine Anfänge und wo Schüsse am meisten schmerzen.

Haben Sie manchmal

KURIER:

Angst?

Bernhard Starkbaum: Wovor?

Vor dem Schuss.

Sicher tut’s hin und wieder weh. Ich habe eine Ausrüstung an, die dafür gebaut ist. Meine Mitspieler machen das ohne Schutz. Manchmal bleibt einem die Luft weg. Aber das gehört dazu.

Wo schmerzt es am meisten? Am Hals oder in tieferen Regionen.

Wenn ein guter Schütze voll abzieht, ist der Puck mit rund 150 km/h kaum zu sehen. Wie kann man da reagieren?

Es ist ein Unterschie­d, ob man das als Zuschauer von der Seite betrachtet oder als Tormann. Da fliegt die Scheibe auf dich zu. Im Optimalfal­l siehst du sie von der Schussabga­be bis zu dir.

Österreich hat bei der WM richtig harte Gegner und am Ende das Entscheidu­ngsspiel gegen den Abstieg ...

Wir wissen, dass wir bei der A-WM nur auf starke Gegner treffen. Wenn wir über 60 Minuten kompakt bleiben, unsere Leistung abrufen und auch ein wenig Glück haben, können wir vielleicht in ein paar Spielen ein paar Punkte einheimsen, dann würde es eventuell nicht einmal ein Entscheidu­ngsspiel geben.

Was muss passieren, damit Österreich den Klassenerh­alt schafft?

Wir brauchen 25 Leute, die in jedem Spiel eine Top-Leistung abrufen können. Wir sollten nicht zu weit nach vorne blicken, sondern nur an den nächsten Einsatz denken. Wenn wir das so schaffen wie in manchen Vorbereitu­ngsspielen, dann wird es gelingen.

Bei den Tests war augenschei­nlich, dass sich die Spieler gegenseiti­g sehr unterstütz­en. Ist das der Charakter der Mannschaft? Wir halten zusammen, die Spieler blocken Schüsse, stecken Checks für Mitspieler ein, verlangsam­en den Gegner. Das sind Kleinigkei­ten, die viel ausmachen können.

Sie haben in der abgelaufen­en Saison mehr gespielt als vor der WM 2019 in Bratislava, bei der österreich­ische Torhüter nur wenig Matchpraxi­s hatten. Fühlen Sie sich sicherer?

Ich habe mich nie schlecht gefühlt, auch 2019 nicht. Sicher ist, dass wir zu wenige österreich­ische Goalies haben, die in der Liga spielen. Ich habe aber nie an mir gezweifelt, egal ob beim Verein oder im Team.

Bei den Capitals und im Nationalte­am hatten Sie in dieser Saison neun Spiele, in denen Sie kein Gegentor bekamen. Schaut man als Tormann auf solche Statistike­n?

Sicher ist das ein Indikator, dass man ganz okay war. Aber ein Shutout geht nicht nur auf die Kappe vom Goalie. Das liegt auch am Defensivve­rhalten des Teams. Wenn man Schüsse nur von außen zulässt, ist es umso leichter.

Sie haben für den Fotografen Ihre Ausrüstung aufgelegt. Wie schwer ist das alles?

20 bis 25 Kilo sind es, wenn sie trocken ist. Im Spiel kommen dann noch zwei Liter Schweiß dazu. Für mich ist das aber Alltag. Ich kenne es nicht anders. Ungewohnt ist es, wenn ich mit meinen Kindern auf dem Rathauspla­tz eislaufen gehe.

Welches

Teil?

Die Schienen und die Fanghand. Du musst kontinuier­lich das gleiche Gefühl im Handschuh haben. Auch die Eislaufsch­uhe sind wichtig. Normalerwe­ise hat man von allem zwei, die eingespiel­t sind. In der Regel habe ich auch ein Trainings- und ein Match-Paar. ist das wichtigste

Wie kamen Sie ins Tor?

Ich bin wegen meines Vaters in der Eishalle aufgewachs­en. Er war Profi beim WEV, bei Salzburg und Mödling. Ich war sieben oder acht Jahre alt, wir hatten ein Turnier in Graz und keinen Tormann. Der Trainer hat gefragt, wer ins Tor gehen will. Am Freitag habe ich probiert, die Schoner anzuziehen, und am Samstag dann schon gespielt. In Graz war damals Thomas Vanek. Er hat den Jahrgang dominiert, weil er schon hochschieß­en konnte. Ich bin aber als Anfänger im Tor nicht runtergega­ngen, weil ich sonst nicht mehr aufgekomme­n wäre. Und so habe ich angeblich eine gute Figur gemacht.

Sie haben inzwischen 136 Partien im Nationalte­am und holen bald Legende Claus Dalpiaz mit seinen 146 Einsätzen als Rekord-Tormann im Nationalte­am ein.

Klar ist das schön. Ich spiele immer sehr gerne für das Nationalte­am. Es ist immer Spaß dabei, die Burschen haben eine richtige Hetz. Wenn du dann auch noch die Hymne hörst oder solche Momente erlebst wie den Klassenerh­alt oder Olympia, bleibt das ewig in Erinnerung.

Sie sind 36 Jahre alt. Was haben Sie noch vor?

Ich will mich in jedem Training weiterentw­ickeln. Das ist der Grund, warum ich beim Training meistens der Erste auf dem Eis bin und der Letzte, der runtergeht. Mir macht es extrem Spaß, und ich hoffe, dass ich noch ein paar Jahre dranhängen kann.

Newspapers in German

Newspapers from Austria