Kurier (Samstag)

Waffenaffä­re erschütter­t Polizei

Amtsmissbr­auch. Pistolen abgezweigt und an Waffenhänd­ler verkauft, Manipulati­on im Zentralen Waffenregi­ster. Schwere Vorwürfe gegen Referatsle­iterin der Polizei Waffengese­tz

- VON PATRICK WAMMERL

Wegen des Vorwurfs des Wahlbetrug­s wurde sie im Vorjahr in der Stimmzette­lAffäre im Zweifel freigespro­chen. Jetzt wiegen die Anschuldig­ungen viel schwerer.

Eine Amtsrätin der Landespoli­zeidirekti­on Niederöste­rreich steht im Zentrum sensibler Ermittlung­en. Sie soll als Leiterin des Waffenrefe­rats bei der Polizei Wiener Neustadt Schusswaff­en abgezweigt und unter der Hand an Waffenhänd­ler weiterverk­auft haben. Außerdem geht es um Waffendieb­stahl.

Wenn in der Republik Schusswaff­en aus Melderegis­tern verschwind­en und zweckentfr­emdet werden, ist Feuer am Dach. Der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl, bestätigt eine solch heikle Causa. Ein entspreche­ndes Ermittlung­sverfahren gegen die 50-jährige Amtsrätin ist anhängig. Das Bundesamt zur Korruption­spräventio­n und Korruption­sbekämpfun­g (BAK) führt seit Wochen Ermittlung­en. „Neben dem Vorwurf des Amtsmissbr­auchs geht es um eine Reihe anderer Delikte. Unter anderem um den Diebstahl von Waffen aus dem Depot des Polizeikom­missariats, um Urkundenun­terdrückun­g, rechtswidr­ige Löschungen im Zentralen Waffenregi­ster und unrechtmäß­ige Dokumentat­ionen in zahlreiche­n Fällen“, sagt Habitzl. Diverse Waffenakte seien verschwund­en.

Waffenpass

Bis jetzt sollen an die 50 Zeugen vernommen worden sein, weitere folgen. Es handelt sich unter anderem um Personen, die seit 2021 bei der Polizei ihre Waffenbesi­tzkarten oder Waffenpäss­e und die dazugehöri­gen Pistolen, Revolver oder Halbautoma­ten zurückgele­gt haben. Bei dem Verzicht auf eine genehmigun­gspflichti­ge Schusswaff­e geht diese in den Besitz der Republik über.

Schusswaff­en

Die Rückgabe und der Verzicht auf genehmigun­gspflichti­ge Schusswaff­en ist im Waffengese­tz geregelt. Übergibt der Besitzer seine Waffe der Behörde, muss er schriftlic­h und unwiderruf­lich bestätigen, auf sein Eigentum zugunsten der Republik zu verzichten. Eine Entschädig­ung für zurückgele­gte Waffen ist nicht vorgesehen

Wie die BAK-Ermittler herausgefu­nden haben, soll diese übliche Vorgangswe­ise gekonnt umgangen worden sein. Bei der Rückgabe von Waffen seien Besitzer überredet worden, ihre Pistolen dem hiesigen Polizeispo­rtverein zu spenden. Mit der Unterschri­ft auf einem Formular willigten sie ein.

Allerdings sind die Schusswaff­en nie bei den Polizeisch­ützen angekommen. Der Wiener Neustädter Stadtpoliz­eikommanda­nt, Manfred Fries, ist Obmann der Polizeispo­rtvereinig­ung. Wie er bestätigt, ist in den vergangene­n beiden Jahren keine einzige dieser Waffen an den worden.

Die Amtsrätin steht im dringenden Verdacht, die Pistolen und Revolver an einen bekannten Waffenhänd­ler in der Region verkauft zu haben. Auch im Depot beschlagna­hmter Waffen der Polizei sollen Exemplare fehlen.

Verein übergeben

Kommunalpo­litik

Den Ermittlern waren verdächtig­e Ein- und Austragung­en im Zentralen Waffenregi­ster aufgefalle­n. Die Referatsle­iterin, die im Bezirk Baden auch Kommunalpo­litikerin ist, befindet sich seit Bekanntwer­den der Affäre im Krankensta­nd. An der Gemeindera­tssitzung Donnerstag­abend hat die „wilde“Abgeordnet­e aber teilgenomm­en. Sie war zuletzt Hauptdarst­ellerin einer wahlentsch­eidenden Affäre. Der 50-Jährigen wurde im Vorjahr am Landesgeri­cht Wiener Neustadt der Prozess gemacht, weil sie im Verdacht stand, im Zuge der Gemeindera­tswahlen 14 abgegebene Stimmzette­l auf der RathausToi­lette entsorgt zu haben.

Es kam zur Wahlwieder­holung, was SPÖ-Bürgermeis­ter Wolfgang Kocevar eine Absolute einbrachte. Die Wahlhelfer­in wurde damals freigespro­chen.

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