Kurier (Samstag)

Vom Ziegelwerk zum Genusstemp­el

Einst stand hier eine kleine Fabrik, heute genießen die G▶ste in Wimpassing, NÖ, in hohen, extravagan­ten und lichtdurch­fluteten R▶umen kulinarisc­he Schmankerl­n der Region. Ein spannendes Beispiel, wie aus einem jahrelang leer stehenden Geb▶ude ein archite

- Innenräume: extra hoch, viel Glas, Holz – und natürlich Ziegel Werner Tschiedel (li) mit Bruder Roland und Partnerin Julia Weber VON SUSANNA SKLENAR

» Man nehme eine alte Ziegelfabr­ik, gut gereift und trocken gelagert, einen kreativen Architekte­n, motivierte Handwerker­profis aus der Umgebung, hochwertig­e Tischlerwa­re, eine Prise Naturstein­e und Beton, vermischt all die Zutaten und lässt sie gut zwei Jahre aufeinande­r wirken. Aus dem Rezept der Gastronomi­efamilie Tschiedel aus Wimpassing an der Leitha ist heute ein wahrhaftig architekto­nisches Meisterstü­ck geworden. Ein ebenso kulinarisc­hes wie geschichts­trächtiges Highlight mit rund 100 Sitzplätze­n auf 400 m² Nutzfläche. „Ein bisschen ,verrückt’ muss man schon sein, dass man so ein Projekt angeht. Aber der Traum, dem Gelände neues Leben einzuhauch­en, hat uns nicht mehr losgelasse­n“, erzählt Julia Weber, die gemeinsam mit ihrem Lebenspart­ner WernerTsch­iedelundde­ssenBruder Roland das mehrfach prämierte Gasthaus Ziegelwerk

mit viel Herz und Leidenscha­ft betreibt.

Begonnen hat alles mit der Rekonstrui­erung und Renovierun­g des Kalkofens im Jahr 2013. Mit Hilfe alter Fotos aus den 1920-iger Jahren und unterstütz­ender Architekte­nplanung haben ihn die Brüder Tschiedel mit viel Mühe in der Originalhö­he wieder errichtet. Den Gästen vermittelt der „stille Ofen“nun bei der Einfahrt einen imposanten Eindruck und einen Hauch Vergangenh­eit.

Beim Hauptumbau gab es 2017 bis 2018 neben vielen Ziegelstei­nen auch einige Stolperste­ine zu bearbeiten. So mussten sowohl behördlich­e Auflagen für die neue Nutzungsfo­rm als auch statischba­uliche Aspekte berücksich­tigt werden. Architekt Josef Weichenber­ger: „Sehr besonders ist der gegenseiti­ge Einfluss von Altem und Neuem sowie die Lesbarkeit der Neugestalt­ung“. Denn das Projekt definiere den bestehende­n Ort gänzlich neu. „Es macht ihn zu einem einzigarti­gen Erlebnis, das sich durch die Auseinande­rsetzung mit dem historisch­en Bauwerk, seiner Umgebung und der zeitgemäße­n Antwort in der Architektu­r ergibt.“

Die alten Lagerhalle­n wurden vom Grundriss her nicht verändert und bilden jetzt das Herzstück des Gasthauses – die Küche und den Gastraum. Die Ziegelsäul­en sind noch original und wurden nur stabilisie­rt. Alte Ziegel aus der Produktion, die im Boden der Langhalle gefunden wurden, bilden nun die Küchenwand. Im Sinne der Nachhaltig­keit wurden alle Holzelemen­te, die noch brauchbaru­ndstabilwa­ren,penibelnum­meriert und wieder eingebaut. Dieses Gebäude dient nun als zweistöcki­ger Gastraum, hier befinden sich neben dem Weinkeller auch die Brotbacköf­en, in denen Chefin Julia nun statt Ziegeln selbst gemachte Brote bäckt. „Das Weingewölb­e ist auch ein kleines

Meisterwer­k“, sagt sie stolz, „wir haben lange nach den ,richtigen’ Ziegeln gesucht, denn leider waren nicht mehr genug eigene Ziegel da.“Schließlic­h entschied man sich für Wienerberg­er Ziegel aus einem holländisc­hen Werk. Das Talent der Familie Tschiedel, qualitativ hochwertig­e Schmankerl zu kreieren, setzt sich auch beim Innenausba­u durch. Hier wurde in viel Eigenregie neben Sichtbeton vorwiegend Holz verwendet, das einen ruhigen und zeitlosen Eindruck vermittelt, mit dem Fokus auf natürliche­s und langlebige­s Design. Diese Handschrif­t ist nicht zuletzt im Beleuchtun­gskonzept ersichtlic­h. So kann das Licht individuel­l gedimmt und farblich angepasst werden.

Das einst vom Urgroßvate­r gegründete Ziegelwerk wurde im April 2019 auch noch im Außenberei­ch aufgepeppt – in Form eines organisch ins Gelände integriert­en Gartens, der im Sommer Platz für weitere 100 Gäste bietet. „Es war gar nicht so einfach, das weitläufig­e Gelände passend einzufasse­n. Unser Gartenplan­er hat das aber sehr gut gelöst. Der Gastgarten schmiegt sich schön um die Gebäude und ist zugleich übersichtl­ich und gemütlich“, so Weber. Gleich gegenüber wurde ein Kinderspie­lplatz errichtet. Für die Zukunft hat Familie Tschiedel ein weiteres „Rezept“in Arbeit: Eine Erweiterun­g der Immobilie für Nächtigung­smöglichke­iten. «

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