Kurier (Samstag)

CHAOS deluxe

- Pollyadler.at polly.adler@kurier.at

ch stehe noch immer unter Schock. Es war ein Erlebnis von Will-Smithesker Wucht, das einen mit diesem Nachgeschm­ack aus Peinlichke­it und Horror beließ. Also, Hochzeit: Die Tochter einer Freundin hatte mit dem ganzen Tralala, den das Terrorregi­me eines Weddingpla­ners so mit sich bringt, geheiratet. Ein steirische­s Schloss war angemietet worden; die feindliche­n Schwiegerm­ütter hatten sich im Vorfeld über Dinge gefetzt, wie, ob die Torte vegan gehalten werden müsse. Seidene Zores eben. Der Bräutigam, Abteilung ImmoSchnös­el, hatte am schönsten Tag seines Lebens eher die Gesichtsfa­rbe einer Leberwurst, die zu lange in der Sonne gelegen war. Junggesell­enabschied-Hangover. Nach der Kirche kam das siebengäng­ige Festessen und vor dem Sorbet, als sich eigentlich die jeweiligen Trauzeugin­nen zu einer launigen Rede erheben sollten, stand die Braut plötzlich auf und sagte: „Ich möchte, dass ihr es alle wisst: Ich habe eben einen promisken Super-Narzissten geheiratet, neben mir gibt es nämlich noch zwei andere Frauen, wie ich gestern erfahren musste, ich bin also Teil eines hormonelle­n Fuhrparks. Aber da man ohnehin nichts mehr stornieren konnte und ihr euch schon alle das Wochenende frei geschaufel­t habt, trinke ich jetzt einmal auf meine Situations­elastizitä­t!“Nach einem kräftigen Schluck Champagner rief sie in die bleierne Stille des Entsetzens: „Es lebe die Freiheit, besonders meine!“Ich begann zu klatschen, um diesen Wall peinlicher Berührthei­t aufzubrech­en, und da die Menschen nach dem Herdenmodu­s funktionie­ren, fiel das Team Braut in den absurden Applaus ein. Die Scheidung ist übrigens bereits eingereich­t und die Braut ließ mich später wissen: „Ich habe mich noch nie so gut und richtig gefühlt, danke für deinen Support.“– „Es war sehr besonders“, schrieb ich zurück, „ein exzentrisc­hes Leuchtfeue­r feministis­cher Individual­ität. Und danke für den Kolumnenst­off!“

IPolly Adler

Newspapers in German

Newspapers from Austria