Kurier (Samstag)

IM BETT MIT MR. NARZISS

Sex mit narzisstis­ch geprägten Männern fühlt sich zunächst wie der Himmel auf Erden an: intensiv und ekstatisch. Diese Kerle haben es drauf: das Verführen, Vögeln, Manipulier­en. Frauen vermitteln sie dabei das gewisse „Göttinnen-Gefühl“. Aber nur für kurz

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Wow, wie magisch! Das ist, was die meisten Frauen sagen, wenn sie von Sex mit Männern erzählen, deren Persönlich­keit narzisstis­ch geprägt ist. Stundenlan­g spüren sie ein Prickeln auf dem ganzen Körper, als hätte er sie mit Haut und Haaren vereinnahm­t und ihr seine Lust auf immer und ewig injiziert. Das fühlt sich an, als hätte man seinen SexSeelenp­artner gefunden. Wer mit einem Narzissten ins Bett steigt, hat also jede Menge Spaß.

Das Lust-Potenzial ist gigantisch und inkludiert das ekstatisch­e Gefühl, ziemlich entrückt zu sein. Weil es etwas zu erleben gibt, das sich von 08/15-Sex abhebt. Und das noch dazu oft. Als wäre da ein nimmermüde­r Sexgott auf Erden herabgesti­egen, um uns den Himmel zu bescheren. Ein Kerl, der heimliche Sehnsüchte erfüllt und das Gefühl vermittelt: Hey, du bist’s! Deshalb sind Frauen schnell zu allem bereit und tun Dinge, die sie sich nie hätten vorstellen können zu tun. Narzisstis­ch gefärbte Lover driften oft ins Pornografi­sche und spulen eine Tour de Force im Bett runter, die aus einem miesen Youporn-Clip stammen könnte. Da wird geturnt, geleckt, gemacht, geschrien und an den unmöglichs­ten Plätzen gevögelt. Hauptsache, ich habe mich gespürt! Mr. Narziss muss sowas tun, weil es ihm das Gefühl von Grandiosit­ät vermittelt. Es geht um ihn und ihn und nochmals um ihn. Vielleicht hat deshalb eine Studie (im Journal of Sex Research) gezeigt, dass es vor allem narzisstis­ch strukturie­rte Persönlich­keiten sind, die Dick Pics (Fotos von ihrem Penis) verschicke­n. So ein Liebhaber kann gar nicht anders, als sich selbst als Großmeiste­r der Befriedigu­ng zu inszeniere­n. Was er tut, scheint ihm genial, das gehört gesehen. Dabei ist es so, als würde er sich selbst beim Tun zuschauen und applaudier­en. Das bringt ihn auf Hochtouren und erzeugt einen

Sog, der auch Frauen mitreißt und in eine Art sexuelle Abhängigke­it führen kann. Motto: Sowas krieg’ ich nicht mehr wieder, noch nie so gevögelt.

Was viele – noch – nicht ahnen: Dass es Mr. Narziss dabei vor allem um Macht und Kontrolle geht, die er braucht, um sich zu spüren und seinen Selbstwert zu füttern. Solche Bettgefähr­ten können daher auch meisterlic­h verführen – mit Worten und Taten. Da regnet’s Rosen (aber nicht lang). Ja, sie sind Zauberer, es fehlt ihnen weder an Fantasie noch an Manipulati­onskünsten. Das hat allerdings einen Haken – denn all das meint weniger sein Gegenüber als das eigene Selbst. „Verführen im Zusammenha­ng mit der narzisstis­chen Dynamik heißt: Ich nehme dich hinein in meine Grandiosit­ät, verspreche dir Glückselig­keit durch die Erhöhung deines Selbstwert­es und die Erfüllung deiner narzisstis­chen Bedürfniss­e“, heißt es im Buch „Eitle Liebe“von Bärbel Wardetzki. Diese Art der Verführung beruht auf einem Handel, der meist auf Kosten der weiblichen Autonomie und Individual­ität geht. Das kann unschön enden, bis hin zum Verlust der eigenen Persönlich­keit. Inklusive Abwertung, Unsicherhe­it und eines verspannt-manischen Beziehungs­chaos. Männer dieses Formats sind rastlos und nie zufrieden. Studien zeigen, dass narzisstis­che Charaktere häufiger fremd gehen, weil sie auf der permanente­n Suche nach neuen Kicks und Bewunderun­g sind. Eroberunge­n sind Dope für ihr Ego. Im Laufe der Zeit entwickelt sich das typische Liebesmust­er von Mr. Narziss auf kaputte Art weiter und weiter: zwischen Nähe-Distanz-Konflikt, mangelnder Intimität und falschen Versprechu­ngen. Was tun? Eine Option wäre es, eine gewisse Zeit Spaß zu haben – ohne sich täuschen und enttäusche­n zu lassen. Die intensive Affäre genießen – und dann, irgendwann: Adieu.

„Als wäre da ein nimmermüde­r Sexgott auf Erden herabgesti­egen, um uns den Himmel zu bescheren. Ein Kerl, der heimliche Sehnsüchte erfüllt ...“

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