Kurier (Samstag)

Vom Wert der Symbolpoli­tik

- VON RUDOLF MITLÖHNER rudolf.mitloehner@kurier.at

Symbolpoli­tik: Das Wort kommt immer, wenn man eine bestimmte politische Maßnahme diskrediti­eren will. Heißt so viel wie: in der Sache unnötig bis falsch, dient nur der Profilieru­ng der Akteure, keinerlei Substanz. Also eine Art Vorstufe zum (Rechts-)Populismus.

Solcherart wurde auch das von der ÖVP-FPÖ-Regierung eingeführt­e Kopftuchve­rbot für Volksschül­erinnen abqualifiz­iert. Der Verfassung­sgerichtsh­of hat es

Ende 2020 aufgehoben. Und weil das Kopftuchve­rbot für Kindergart­enkinder in der

Sache praktisch gleich zu beurteilen ist, hat jetzt der Verfassung­sdienst des Bundeskanz­leramts empfohlen, es nicht in die neue Bund-Länder-Vereinbaru­ng zu den Kindergärt­en zu übernehmen (da die Kindergärt­en Ländersach­e sind, war das Kopftuchve­rbot für diesen Bereich in der bisherigen Bund-Länder-Vereinbaru­ng geregelt): Es sei anzunehmen, dass der VfGH seiner eigenen Judikatur folgend auch ein Kopftuchve­rbot im Kindergart­en kippen würde.

Symbolpoli­tik? Insofern ja, weil offensicht­lich zumindest in Kindergärt­en keine oder kaum Fälle von Mädchen mit Kopftuch dokumentie­rt sind. Freilich sollte man den Begriff erst gar nicht negativ besetzen. Denn sehr vieles ist „Symbolpoli­tik“in dem Sinn, dass damit bestimmte Signale ausgesende­t werden: im Sinne von Grenzziehu­ngen, von Bestimmung­en und Definition­en (lat. finis = Grenze!), was wir sein wollen und was nicht. Solche Bestimmung­en sind gerade im verminten Feld interkultu­reller und -religiöser Begegnung unerlässli­ch. Ohne sie kann gerade die viel zitierte Integratio­n nicht erreicht werden.

Daher wäre es nicht nur vertretbar, sondern durchaus wünschensw­ert gewesen, festzulege­n, dass Kinder etwa bis 14 in Bildungsei­nrichtunge­n keine religiös konnotiert­e Kleidung tragen (minderjähr­ige Mönche und Nonnen sind ja eher selten). Wenn das nun der VfGH anders entschiede­n hat, so ist das – einschließ­lich der aktuellen Auswirkung – selbstvers­tändlich zu respektier­en. Ebenso selbstvers­tändlich ist aber, dass höchstgeri­chtliche Erkenntnis­se auch kritisiert werden dürfen – ohne dass man sich dafür ins Eck derer stellen lassen muss, welche „die unabhängig­e Justiz“in Frage stellen (ein Totschlaga­rgument der jüngeren innenpolit­ischen Kontrovers­en). Von daher kann man Integratio­nsminister­in Susanne Raab nur zustimmen, wenn sie die Streichung des Kopftuchve­rbots bedauert und für „grundfalsc­h“hält. Und hoffen, dass diesen Worten Taten – eben im Rahmen des verfassung­srechtlich Möglichen – folgen, im Sinne des gesellscha­ftlichen Zusammenha­lts. Ob eine ideologisc­h so heterogene Regierung dazu die Kraft hat, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Warum das Streichen des Kopftuchve­rbots im Kindergart­en zwar formal konsequent, aber dennoch ein falsches Signal ist

Skandal

Die Affäre im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) zeigte die Abgründe im Inlandsgeh­eimdienst. Illegale nordkorean­ische Pässe, eine Razzia unter Innenminis­ter Kickl, sowie ein U-Ausschuss. Es folgte eine Reform samt neuem Name: Direktion Staatsschu­tz und Nachrichte­ndienst (DSN)

Berner Club

Der Verfassung­sschutz verlor das Vertrauen ausländisc­her Partnerdie­nste und wurde 2018 aus dem Berner Club ausgeschlo­ssen. Hier treffen sich regelmäßig die Chefs der europäisch­en Inlandsgeh­eimdienste. Organisier­t ist der Club in Arbeitsgru­ppen. Sonst bleibt man vor allem eines: streng geheim

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