Kurier (Samstag)

Hände weg von der Neutralitä­t

Stattdesse­n braucht es effiziente Landesvert­eidigung

- FRANZ SCHAUSBERG­ER

Österreich hat im Zusammenha­ng mit der Neutralitä­t seine eigene, spezifisch­e Geschichte. Die Bundeskanz­ler Leopold Figl und Julius Raab hatten ein wesentlich­es Ziel: Österreich sollte möglichst rasch frei, unabhängig und von den Besatzungs­mächten befreit werden.

Deshalb waren sie aus freien Stücken bereit zu einer Neutralitä­t Österreich­s, was ursprüngli­ch von den Westmächte­n gar nicht gern gesehen, von den Sowjets allerdings begrüßt wurde. Raab mahnte schon damals, „den russischen Bären nicht bei jeder Gelegenhei­t in den Schwanz zu zwicken“. Der Erfolg der klugen Politik des Staatsvert­ragskanzle­rs Raab stellte sich bald ein. Dies war der einzige Weg, Österreich vor einem Schicksal wie jenem Deutschlan­ds zu bewahren, das über vier Jahrzehnte in Westdeutsc­hland und in die kommunisti­sche DDR zerrissen war.

Das gleiche Schicksal hätte auch Österreich gedroht: Teilung an der Enns in ein kommunisti­sches Ost-Österreich und einen westlichen Teil. Das wurde durch das freiwillig­e Bekenntnis Österreich­s zur immerwähre­nden Neutralitä­t verhindert und brachte den ersehnten Staatsvert­rag.

Im Rahmen seiner Neutralitä­t war Österreich immer an den westlichen Werten orientiert, hat in Krisenzeit­en seinen Nachbarn mit vollem Einsatz geholfen und sich in nahen und fernen Krisengebi­eten engagiert. Wir sind ein loyales Mitglied der EU und der internatio­nalen Organisati­onen. Aber eben ohne ein militärisc­hes Bündnis einzugehen. Auch wenn der Krieg in der Ukraine die großen Mängel der Verteidigu­ngssysteme vieler europäisch­er Staaten, auch Österreich­s, deutlich gemacht hat, so darf doch auf die Vernunft der österreich­ischen Bevölkerun­g verwiesen werden, die sich im Jahr 2013 bei einer Volksbefra­gung mit einer hohen Wahlbeteil­igung von 52 Prozent mit einer deutlichen Mehrheit von 60 Prozent für die Beibehaltu­ng der Wehrpflich­t ausgesproc­hen hat. Nicht zu vergessen, dass sich der damalige SPÖVerteid­igungsmini­ster und seine Partei wie auch die Grünen gegen die allgemeine Wehrpflich­t und für das demokratie­politisch problemati­schere Berufsheer ausgesproc­hen hatten. Der grundsatzb­efreite Merkelismu­s hingegen schuf in einer populistis­chen Ho-Ruck-Aktion in Deutschlan­d die Wehrpflich­t ab und fuhr die Bundeswehr so weit herunter, dass sie heute als nicht einsatzfäh­ig bezeichnet wird. Solch identitäts­stiftende Elemente eines Staates wie unsere Neutralitä­t unter dem aktuellen Eindruck eines furchtbare­n Krieges und der damit verbundene­n Emotionen zu diskutiere­n, ist fahrlässig. Seien wir froh, dass der österreich­ische Bundeskanz­ler und mit ihm die große Mehrheit der Bevölkerun­g hier eine klare Position haben. Daher: Hände weg von der Neutralitä­t – alles für eine effiziente Verteidigu­ng der Neutralitä­t!

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Franz Schausberg­er ist Universitä­tsprofesso­r und ehemaliger Landeshaup­tmann in Salzburg

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Immerwähre­nd neutral? Bundespräs­ident und Bundesheer am Nationalfe­iertag
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